Zweimal verheiratet, einmal zurückgetreten

■ Der merkwürdige Abschied eines Düsseldorfer Grünen aus der Landespolitik

Düsseldorf (taz) – Offiziell trugen die nordrhein-westfälischen Bündnisgrünen Trauer, als ihr migrationspolitischer Sprecher im Landtag, Hisham Hammad, zurücktrat: „Wir bedauern diesen Schritt“, verlautbarten Landesvorstand und Landtagsfraktion Mitte September unisono. Man respektiere jedoch Hammads Entscheidung, „aus beruflichen Gründen“ abzutreten, und wünsche „ihm weiterhin viel Erfolg“.

In einem Brief an die migrationspolitischen Gruppen in NRW sprach Fraktionssprecherin Gisela Nacken gar davon, der Rücktritt habe die Fraktion wie ein „Schock“ getroffen und „tiefe Betroffenheit“ ausgelöst. Die Gerüchte auf den Landtagsfluren kolportierten indes eine ganz andere Geschichte: Von „Bigamievorwürfen“ war da die Rede und davon, daß der gebürtige Palästinenser Hammad wegen seiner privaten Lebensweise als mirgrationspolitischer Sprecher nicht mehr tragbar gewesen sei.

Hammad selbst zeigte sich von dem „Bigamiegerede“ gegenüber Journalisten „tief betroffen“. Er sei das Opfer einer „riesigen Schmutzkampagne“ und habe sich „weder juristisch noch moralisch“ etwas vorzuwerfen.

Das sehen einige Insider in Dortmund allerdings ganz anders. Zu ihnen zählt Richard Kelber, bis 1994 zehn Jahre lang für die Grünen im Dortmunder Rat tätig. Kelber spricht von einer „Gruselrealität“, in die der 46jährige Hammad, der von 1970 bis 1976 der PLO angehörte, eine palästinensische Frau gestürzt habe. Politische Verantwortung dafür trügen auch die Grünen, denen das seit langem bekannt gewesen sei.

Kelber wirft Hammad vor, die junge Palästinenserin 1996 unter Vorspielung falscher Tatsachen geheiratet zu haben. Die Heirat fand Ende März 1996 in Palästina statt. Der Ehevertrag datiert vom 2. April 1996. Darin versichert Hammad, bis zu diesem Zeitpunkt Junggeselle gewesen zu sein. Tatsächlich war er damals noch in Deutschland mit einer Deutschen verheiratet. Diese Ehe wurde erst im August 1996, vier Monate später, geschieden.

Ein Fall von Bigamie? Nein, sagt Hammad heute: „Es gab keine rechtliche Bigamie“, denn es habe sich in Palästina „nur um eine religiöse Hochzeit gehandelt“. In einem von ihm beauftragten Rechtsgutachten stützt eine Anwältin diese These. Ob die deutsche Justiz das auch so sieht, dürfte sich bald entscheiden. Noch in dieser Woche will sich die Dortmunder Staatsanwaltschaft erklären.

Von seiner palästinensichen Ehefrau ist Hammad inzwischen per Eheauflösungsvertrag wieder getrennt. Im Zusammenhang mit diesem für ihn sehr teuren Vertrag steht ein Dokument, das inzwischen ebenfalls die Staatsanwälte interessiert. Darin bestätigen der Vater der Palästinenserin und sechs weitere Zeugen, daß die Heirat eine rein religiöse („religious marriage“) gewesen sei und daß sie im September 1996 stattgefunden habe – also nach Hammads Scheidung in Deutschland. Zumindestens das Datum ist nach den der taz vorliegenden Dokumenten eindeutig falsch.

Nach Angaben von Richard Kelber hat Hammad auch seine Exfrau zur Unterzeichnung dieser falschen Erklärung gedrängt und ihre Ausreise aus Deutschland verlangt. Nur mit Hilfe von Freunden, so berichteten Eingeweihte der taz, habe die verängstigte Frau das Ansinnen abwehren können.

Den Grünen wirft Richard Kelber vor, zur „Vermeidung eines Desasters ihrer Multikulti-Politik“ die „Aufklärung und den Schutz dieser Frau unterlassen“ zu haben. Die Bündnisgrünen in NRW widersprechen heftig: Das Gegenteil sei der Fall. Man habe an einer einvernehmlichen Lösung mitgewirkt, werde sich dazu aber im Interesse der Beteiligten nicht äußern. Walter Jakobs