Rußland wird ein guter Weltbürger

■ Internationale Banken stunden 33 Milliarden Dollar. Regierung in Moskau erkennt die Kredite bis zurück in die Zarenzeit an. Insgesamt steht das Land mit 127 Milliarden Dollar in der Kreide. Doch die Schul

Berlin/Moskau (taz/rtr) – Rußland und die privaten Großbanken haben sich über ausstehende Kredite von 33 Milliarden Dollar geeinigt. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde gestern ein Vertrag in Moskau unterzeichnet, der Ende des Jahres in Kraft treten soll. Danach zahlt Rußland alle ausstehenden Schulden zurück, aber um bis zu 25 Jahre gestundet. Zum größten Teil wären die Kredite bereits Ende der 80er oder Anfang der 90er Jahre fällig geworden. Damals sah sich die zerfallende Sowjetunion nicht in der Lage, das Geld zurückzuzahlen.

Eine Schlüsselrolle bei internationalen Krediten spielen der Londoner und der Pariser Club. Im Londoner Club sind die Gläubigerbanken zusammengeschlossen – im Fall Rußlands rund 600 Banken unter Führung der Deutschen Bank. Im Pariser Club sitzen die Gläubigerstaaten, bei denen sich Rußland und die Sowjetunion Geld geborgt hatten. Insgesamt steht Rußland bei Banken und Staaten mit etwa 127 Milliarden Dollar in der Kreide – mehr als 210 Milliarden Mark. Davon stammen 102 Milliarden Dollar noch aus Sowjetzeiten, 25 Milliarden hat sich Rußland seit 1992 geliehen.

Und die Moskauer Regierung will weiter Schulden machen. Deshalb wollte „Rußland nicht Konkurs anmelden“, so ein Sprecher der Deutschen Bank zu der gestrigen Übereinkunft. Allein seit November 1996 gab sie im europäischen Ausland Staatsanleihen in Höhe von fünf Milliarden Mark aus. Dabei richten sich die Zinsen, die Rußland den Geldgebern bieten muß, nach dem Risikozuschlag: Gilt das Land als glaubwürdig und als braver Schuldentilger, fällt der Zuschlag niedriger aus.

Um das Vertrauen der Anleger zu stärken, wird Rußland sogar ausstehende Schulden aus der Zarenzeit berappen. Die Sowjetunion hatte nach der Oktoberrevolution von 1917 eine Anerkennung der Altschulden stets verweigert. Nach einem Abkommen vom Mai 1997 erhalten nun die Inhaber der alten Schuldverschreibungen bis zum Jahr 2000 insgesamt 400 Millionen Dollar Entschädigung.

Weil sich Rußland zuvor schon mit den westlichen Gläubigerstaaten geeinigt hatte, wurde das Land im September sogar offiziell in den Pariser Club aufgenommen. Das war auch Teil eines Deals mit den Nato-Staaten: für die Anerkennung der Osterweiterung wurde Rußland Ende Mai unter anderem ein leichterer Zugang zu den internationalen Finanz- und Wirtschaftsorganisationen in Aussicht gestellt. Damit kann Moskau nun seinerseits Geld eintreiben, das ihm Exverbündete der Sowjetunion schulden – 37 Milliarden Dollar nach eigenen Angaben. Wenn die alten Partner nun bei Banken oder Staaten des Pariser Clubs um Kredite bitten, werden sie nach ihren ausstehenden Rückzahlungen an das neue Clubmitglied Rußland gefragt. Vor allem mit Sowjetwaffen aufgerüstete Staaten wie der Irak oder Libyen müssen mit Forderungen rechnen.

Die Schulden will Rußland allerdings um 30 bis 94 Prozent ermäßigen, um die Latte für die Habenichtsländer nicht zu hoch zu hängen. Trotzdem rechnet Finanzminister Anatoli Tschubais mit Rückzahlungen von 500 bis 700 Millionen Dollar im Jahr. Zinsen und Tilgung Rußlands an die Clubs in London und Paris dürften allerdings mehr als das Zwanzigfache betragen. rem