Vorwärts zu den Pflichten

■ Christian Wulff, CDU-Landesvorsitzender, fordert eine 98er-Bewegung. Motto: Pflicht

Bonn (taz) – Seit 14 Jahren ist Helmut Kohl an der Regierung. Dennoch sieht der niedersächsische CDU-Landesvorsitzende Christian Wulff die Gesellschaft noch immer von den „Werten und Normvorstellungen der 68er Generation“ geprägt. Die will er jetzt mit einem neuen Schlagwort bekämpfen: „Wir brauchen eine 98er Bewegung“, fordert Wulff in einem Aufsatz für die Vierteljahresschrift Civis, in deren neuer Ausgabe überwiegend jüngere CDU- Politiker Perspektiven für den Wahlkampf skizzieren. „So wie die 68er auf Rechte und Ansprüche gesetzt haben, sollten wir heute mehr auf Pflichten setzen“, erklärte Wulff bei einem Pressegespräch. Weniger Staat, weniger Bürokratie, mehr wirtschaftliche Dynamik und Prozesse und „mehr Solidarität durch Leistung“ seien die politischen Ziele der Zukunft.

„Wir erleben ein so noch nie dagewesenes Versagen politischer Eliten vor den Anforderungen der Gegenwart“, ist in dem Artikel zu lesen. Als Kritik an Helmut Kohl möchte Wulff diesen Satz nicht verstanden wissen: „Ich kann doch nicht ins Wahljahr mit der Diskussion gehen, über die Sie gerne schreiben möchten. Da wäre ich ja blöd“, meinte er auf entsprechende Fragen. Statt dessen rühmte er die Verdienste des Kanzlers. Der habe immerhin Leute wie Richard von Weizsäcker, Rita Süssmuth und Heiner Geißler in der Politik gefördert. Von denen gehört heute nun allerdings keiner mehr zum engsten Kreis.

Bloß jetzt keine Personaldebatte: „Ich halte die Diskussion für absolut nicht hilfreich“, sagte Wulff zum Vorschlag des JU-Vorsitzenden Klaus Escher, nach den nächsten Bundestagswahlen die Ämter des Kanzlers und des Parteivorsitzenden zu trennen. „Wir als Mutterpartei müssen uns nicht jede Anregung unserer Juniorpartei zu eigen machen und umsetzen.“ Er sehe „keinen Änderungsbedarf“. Der niedersächsische CDU-Politiker beschränkte sich strikt darauf, inhaltliche Versäumnisse seiner Partei anzusprechen. So beklagte er eine Vernachlässigung der Bundesländer: „Wir haben unterschätzt, daß es nicht reicht, Bundestagswahlen zu gewinnen.“ Christian Wulff möchte mit dem Aufsatz einen Beitrag zu der „innerparteiliche Diskussion“ auf dem bevorstehenden CDU- Parteitag in Leipzig leisten. bg