Berliner Blondinen bevorzugt

Im Hotel Adlon darf eine Studentin keinen Gast bedienen. Ihre Haare genügen nicht den „durchschnittlichen, mitteleuropäischen Gegebenheiten“  ■ Von Constanze von Bullion

Sie kennt sie. Sie kennt die Blicke, die Fragen, das besonders freundliche Lächeln. „Naomi Campbell“ nennt Carolyn Mtagane* das Spielchen, bei dem sie die schwarze Schöne zu spielen hat und möglichst dekorativ in der Ecke stehen soll. Oder ganz verschwinden. Im Berliner Hotel Adlon war es zunächst einmal die Naomi-Campbell-Nummer, die man ihr zudachte.

Gleich hinter das vornehme Portal mit den Marmorstufen postierte der Oberkellner die 25jährige Studentin, als sie Ende Juni dieses Jahres als Aushilfskraft antrat. „Gleich auf dem Präsentierteller“, nennt sie das, „wo du immer lächelst und nach der Zimmernummer fragst. Da mußt du vor allem in die Optik reinpassen.“

Carolyn also hat gelächelt und nach der Zimmernummer gefragt und all das gemacht, was sie sonst auch tut, wenn ihre Zeitarbeitsfirma sie zu einem Einsatz schickt. Im Adlon dauerte der allerdings nur wenige Minuten. Genauer gesagt: Bis der Chef des Hauses sie sah. Der winkte einen Kellner beiseite – und ließ sie sofort in die Küche versetzen. Die Begründung wurde ihr mit einem besonders freundlichen Lächeln serviert: Die „Haartracht“ sei „nicht angemessen“.

Die „Optik“ also. Nicht die Hautfarbe sei es gewesen, beteuert man inzwischen im Adlon. Auch das „durchaus attraktive Äußere“ der Studentin sei „gar kein Thema“ gewesen. Nein, an der „problematischen Haarstruktur“ liege es, daß Carolyn Mtagane keine Gäste bedienen dürfe im kürzlich eröffneten Haus Unter den Linden, wo man auf 78 ausländische Mitarbeiter verweist. Es werde auf „ein unauffälliges, gepflegtes Äußeres Wert gelegt“, erklärt Hotelsprecherin Sabine van Ossen. Carolyns Frisur sei aus „hygienischen Gründen“ unzumutbar gewesen.

Seither muß Carolyn erklären. Muß beschreiben, wie ihre schwarzen Haare aussehen, wenn sie die Zöpfchen aufmacht, die sie sich zu einem akkuraten Pagenkopf hat flechten lassen. „Wenn meine Harre offen sind, wird das ein riesiger Afrolook“, sagt sie, „den kann ich nicht einmal zu einem Dutt zusammenbinden. Meine Frisur hat mit Mode nichts zu tun.“ Carolyn hat schon tausendmal erklärt, daß Zöpfchen keine Rastalocken sind. Brav hat sie dann die Frage beantwortet, wo sie eigentlich herkommt. Und jedesmal in eines dieser besonders freundlichen Gesichter geschaut und geantwortet: „Aus Berlin.“

Muß man es wirklich dazu sagen? Muß man betonen, daß Carolyn perfekt deutsch spricht? Daß sie an der Humboldt-Universität Jura studiert und eine ziemlich aufgeweckte Person ist? Man muß offenbar. Carolyns Eltern stammen aus Burundi. Ihre Mutter ist Tutsi, ihr Vater war Hutu, aber all das erzählt sie nicht besonders gerne. Ebensowenig von der Flucht aus dem Bürgerkrieg vor 17 Jahren. „Das tut hier nichts zur Sache“, meint sie nur, „wenn die Frauen mit Zöpfchen sehen und Afrika hören, dann denken sie sowieso gleich an Dreck.“

Carolyn hat erstmal den Laden gewechselt. Am nächsten Tag stand sie im Hotel Intercontinental. Und erlebte das gleiche Spiel. Keine „Rastafrisur“ hieß es da. Da riß ihrer Mutter die Geduld. Carolyn Mtagane hat sich einen Anwalt genommen. Als der sich beschwerte, ließ die Rechtsabteilung des Hotel Adlon sie wissen, es gehöre zu den „Vorgaben“ für das Hotelpersonal, den „durchschnittlichen, mitteleuropäischen Gegebenheiten zu genügen“. Im Klartext heißt das: Wer sein Haar zu Zöpfchen flechten muß, hat Pech gehabt.

Rassismus? Die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John spricht von „befremdlichem Verhalten“ der Hotelleitung. Bei der Gewerkschaft Nahrungs-, Genußmittel, Gaststätten kann man eine „tendenziell rassistische“ Entscheidung für den Rausschmiß ausmachen. Carolyn Mtagane hat ihre Zeitarbeitsfirma verlassen. Sie hat das Adlon und das Hotel Intercontinental hinter sich. Und für die Zukunft weiß sie: „Man darf eben nie schöner sein als die Gäste.“ *Name geändert