Weiter Haft für Unterstützung der Samstagsmütter

■ Eine Berliner Türkin, die Ende Juli in Istanbul verhaftet wurde, muß im Gefängnis bleiben

Istanbul (taz) – Die in Berlin lebende Güllü Selçuk bleibt weiterhin in Haft. Dies entschied das Staatssicherheitsgericht Istanbul bei dem gestrigen Prozeßtermin. Die deutsche Staatsangehörige, die im Berliner Unterstützungskomitee für die „Samstagsmütter“ aktiv ist, befindet sich seit über zwei Monaten in türkischer Haft.

Die Anklageschrift, die ursprünglich Selçuk die „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation“ vorwarf, wurde gestern geändert. Selçuk sei nicht Mitglied einer illegalen Organisation, sondern habe eine illegale Organisation „unterstützt“. Der Vorwurf stützt sich ausschließlich auf Foto- und Videomaterial, das im Gepäck von Selçuk gefunden wurde. Im Fall einer Verurteilung droht der Berlinerin eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren.

Als Selçuk am 29. Juli verhaftet wurde, trug sie Fotos bei sich, die sie bei einer Ausstellung in Berlin über die „Samstagsmütter“ verwenden wollte, die jeden Samstag in Istanbul gegen das „Verschwindenlassen“ Oppositioneller demonstrieren.

Außerdem hatte Selçuk Videobänder dabei: laut eigener Aussage Videoaufzeichnungen von einem Picknick im Grünen mit Freunden und Bekannten. Doch die Staatsschützer mutmaßen, daß die Videobänder „Propagandamaterial“ beinhalten. Trotz dürftiger Beweislage entschied sich das Gericht zur Fortsetzung der Untersuchungshaft. Die Videoaufzeichnungen müßten gesichtet werden, ordnete das Gericht an – und vertagte den Prozeß auf den 3. Dezember.

Selçuk war am 29. Juli auf ihrer Rückreise nach Berlin am Istanbuler Flughafen zusammen mit ihren 13- und 15jährigen Töchtern verhaftet worden. Während die Töchter am nächsten Tag die Heimreise nach Berlin antreten konnten, verbrachte Selçuk die Zeit bis zu ihrer Einlieferung in die reguläre Untersuchungshaft in den Zellen des Polizeidezernats für „Terrorismusbekämpfung“. Ihre 15jährige Tochter hatte gegenüber der taz von Mißhandlungen ihrer Mutter während des Verhörs berichtet. Sie sei „grün und blau“ im Gesicht gewesen und habe kaum laufen können.

Entsetzt sind Prozeßbeobachter aus Berlin nicht nur über die Art der Prozeßführung, sondern auch über die Haltung des deutschen Generalkonsulats. „Trotz mehrfacher Zusagen, daß das Konsulat einen Beobachter zum Prozeß entsenden wird, war niemand anwesend“, so Giyasettin Sayan, migrantenpolitischer Sprecher der PDS im Berliner Abgeordnetenhaus. Ömer Erzeren