Šešelj feiert schon seinen Sieg

Bei den Präsidentenwahlen in Serbien wurde die Mindestbeteiligung offenbar knapp verfehlt. In Montenegro geht es in zwei Wochen in die nächste Runde  ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji

Noch waren die offiziellen Endergebnisse der serbischen Präsidentschaftswahlen nicht verkündet, da feierte die Radikale Partei (SRS) des Vojislav Šešelj schon ihren Sieg. Triumphierend wurden die anwesenden Journalisten in der Nacht zum Montag mit Spanferkel, Krautsalat und Slibowitz bedient, „damit das Warten leichter fällt“. „So geht es zu bei richtigen Serben, bei den Sozialisten bekommt ihr nur magere Partykost“, erklärt ein Kellner.

Um 2.30 Uhr morgens war es dann angeblich soweit. „Dr. Vojislav Šešlj ist der neue Präsident Serbiens“, erklärte feierlich der Pressesprecher der SRS. Šešelj habe 52,8 Prozent der Stimmen und der Kandidat der Milošević-Sozialisten, Zoran Lilić, 48,2 Prozent der Stimmen erhalten. Majestätisch, mit einem strahlenden Lächeln, trat Šešelj in den Konferenzsaal der Parteizentrale. „Die SRS und das serbische Volk haben gesiegt“, verkündete er mit einem Messer in der Hand. Dann schnitt er die Siegestorte an, auf der mit Sahne und Schokolade die Grenzen Großserbiens eingezeichnet waren.

Laut der Radikalen Partei lag die Wahlbeteiligung über den notwendigen 50 Prozent, die Sozialisten seien eine „Schar von Lügnern“, die mit „bekannten Methoden versuchen, die legalen Wahlergebnisse zu fälschen“.

Sicher scheint eins: Vojislav Šešelj hat seit dem ersten Wahlgang am 21. September eine halbe Million Stimmen dazugewonnen. Viele Bürger in Serbien haben Angst davor, wie sich das neue Siegesbewußtsein der radikalen Nationalisten offenbaren wird. Menschen, die keine serbischen Familiennamen haben, fühlen sich bereits unsicher in ihren Wohnungen, die die Radikalen serbischen Flüchtlingen aus Bosnien und Kroatien überlassen möchten.

Im Wahlstab der Milošević-Sozialisten herrschte eine bedrückte Stimmung. Stundenlang wurden keine Ergebnisse bekanntgegeben. Mit müder Stimme erklärte die sozialistische Pressesprecherin Ivica Cacić endlich, ihr Kandidat, Zoran Lilić, habe einen leichten Vorsprung vor Šešelj, die Wahlbeteiligung liege jedoch unter 50 Prozent, so daß die ganze Wahlprozedur in zwei Monaten wiederholt werden muß. Ein offizielles Ergebnis lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.

Der abgesetzte Bürgermeister von Belgrad und Präsident der Demokratischen Partei, Zoran Djindjić, und die Präsidentin des Bürgerbundes, Vesna Pesić, die zum Wahlboykott aufgerufen hatten, versuchten, die geringe Wahlbeteiligung als Sieg der Opposition darzustellen. Unter den Bürgern, die den zweiten Wahlgang boykottiert haben, befinden sich jedoch auch rund zwei Millionen Kosovo- Albaner und die Anhänger der Serbischen Erneuerungsbewegung von Vuk Drašković.

In der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro, wo am Sonntag die erste Runde der Präsidentschaftswahlen stattfand, kam es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden wichtigsten Bewerbern. Letztlich gewann der von Belgrad unterstützte derzeitige Präsident, Momir Bulatović, mit einem Vorsprung von nur etwa tausend Stimmen, obwohl im Laufe der Nacht Tausende von Anhängern von Milo Djukanović schon dessen Sieg gefeiert hatten. Im Gegensatz zu Bulatović will Djukanivić auf größere Distanz zu Belgrad gehen.

Das knappe Resultat wird vor allem mit der für Montenegro geringen Wahlbeteiligung von 80 Prozent erklärt. Eine höhere Beteilung wäre wahrscheinlich Djukanović zugute gekommen. Dessen Wähler sind vor allem junge Menschen, während sein Gegner sich auf disziplinierte Parteimitglieder und Rentner stützen kann. Nun wird in zwei Wochen eine Stichwahl stattfinden.