Hamas-Gründer nach Gaza, Israels Agenten nach Hause

■ Nach dem gescheiterten Giftanschlag seines Geheimdienstes in Jordanien mußte Israel Hamas-Gründer Jassin gegen die zwei verhafteten Agenten austauschen

Jerusalem (taz) – Zehntausende Palästinenser bereiteten gestern dem Gründer der islamischen Hamas-Organisation, Scheich Ahmed Jassin, einen begeisterten Empfang. Im und vor dem zentralen Stadium in Gaza versammelten sich die Menschenmassen. Hamas-Sprecher Abdel- Aziz Rantisi nannte die Rückkehr Jassins „historisch“. Der Hamas-Chef war am Nachmittag mit einem Hubschrauber der jordanischen Regierung von Amman nach Gaza geflogen worden. Empfangen wurde er von Suha Arafat, der Frau des Palästinenserpräsidenten. Arafat selbst hielt sich in Ramallah auf. Weitere 22 Hamas-Gefangene wurden gestern freigelassen, nachdem die beiden in Jordanien inhaftierten Mossad-Agenten nach Israel zurückgekehrt waren. Hintergrund des Gefangenenaustauschs ist der gescheiterte Mordanschlag des israelischen Geheimdienstes auf den Hamas-Chef in Amman, Khaled Mashal, am 25. September. Bei dem Versuch, ihn zu vergiften, waren mindestens zwei Mossad-Agenten von der jordanischen Polizei festgenommen worden. Beide führten gefälschte kanadische Pässe mit sich. Der Vorsitzende des Knesset-Ausschusses für Verteidigung und auswärtige Politik, Uzi Landau, sagte zu dem Geschäft, daß Israel einen Preis zahlen müsse, wenn es einen Fehler gegeben habe. „Es geht darum, die Angelegenheit so schnell wie möglich zu beenden“, meinte Landau. Israelische Beobachter bezeichnen den gescheiterten Mordanschlag als die größte Pleite des israelischen Geheimdienstes seit seinem Bestehen. Für Ministerpräsident Netanjahu, der den Auftrag für den Anschlag erteilt haben soll, wird die Affäre ein parlamentarisches Nachspiel haben. Gestern abend berief Netanjahu eine Sondersitzung seines Kabinetts ein. Am Montag wird die Knesset zusammentreten.

Vor seinem Abflug aus Amman forderte Scheich Jassin Israel auf, die Besetzung zu beenden und die Rückkehr aller Palästinenser zu ermöglichen. „Einen Waffenstillstand kann es nicht geben, solange die Besetzung nicht beendet ist“, sagte Jassin. An Netanjahu gerichtet, erklärte er: „Gewalt ist nicht das Vorrecht einer Person. Das Leben ändert sich. Und wir werden nicht auf ewig schwach bleiben.“ Die Palästinenser rief er zur Einheit auf. „Die palästinensische Autonomiebehörde ist ein Teil des palästinensischen Volkes, und sie verkörpert die Autorität. Und wir sind ebenfalls ein Teil des palästinensischen Volkes. Wir sind alle eine Einheit“, so der Scheich.

Seit zwei Tagen liefen im Gaza-Streifen die Vorbereitungen für die Rückkehr von Jassin auf Hochtouren. Seine Anhänger sammelten den Müll von der Straße ein, kalkten sein Haus weiß und hingen Poster mit seinem Konterfei auf. Ein Transparent mit dem Bild der Al-Aqsa- Moschee und der Parole „Der Islam ist die Lösung“ überspannte die Gasse im Armenviertel von Gaza, wo Jassin zu Hause ist. Im Trubel um den Austausch ging die Wiederaufnahme der israelisch- palästinensischen Friedensverhandlungen fast unter. US-Unterhändler Dennis Ross, der gestern in Tel Aviv eintraf, wollte noch am Nachmittag in getrennten Sitzungen mit Netanjahu und Arafat zusammentreffen. Georg Baltissen Kommentar Seite 12