Urban rettet Leben – wer rettet das Urban?

■ Wegen seines hohen Sanierungsbedarfs ist das Urban-Krankenhaus ernsthaft gefährdet

Das Schicksal des Urban-Krankenhauses hängt am seidenen Faden. Der 1970 erbaute, neunstöckige Betonquader am Landwehrkanal ist enorm sanierungsbedürftig. Eine Grundsanierung inklusive Modernisierung wird auf 350 Millionen Mark veranschlagt. Weitaus billiger wäre, das Haus für 30 Millionen Mark nur instandzusetzen. Seit das Gutachten vor zwei Jahren bekannt wurde, wird das Urban von der Senatsverwaltung für Gesundheit und den Krankenkassen als potentieller Schließungskandidat genannt. Großen Einfluß auf die politische Entscheidung könnte ein Gutachten des Verbandes der Bundeskrankenkassen haben, der die rund 70 Berliner Krankenhäuser demnächst durchleuchtet. Neben der Wirtschaftlichkeit sei auch der Sanierungsbedarf ein wichtiges Kriterium dafür, ob ein Haus geschlossen werden müsse, erklärte Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) vielsagend.

In Folge der Schließungsdebatte sind einzelne Ärzte schon abgewandert. Aber die Mehrzahl der rund 1.630 Mitarbeiter ist kampfeswillig. Etliche haben sich bereits vor längerem in der Reformgruppe Pro-Urban organisiert. Eine Wirtschaftsprüfung braucht das 820-Betten-Haus nicht zu fürchten, denn es schreibt seit Jahren schwarze Zahlen. Die Klinik ist als Kiezkrankenhaus bei den türkischen und deutschen Kreuzbergern sehr beliebt. Aber auch im Bereich der Hochleistungsmedizin glänzt das Urban. Die Urologieabteilung beispielsweise zieht aufgrund ihres exzellenten Rufs bundesweit Patienten an. Das Personal spricht zum Teil türkisch, die Küche ist auf die unterschiedlichen Kulturkreise eingestellt.

Vom Urban, das der Präsident der Ärztekammer, Ellis Huber, sein „Lieblingskrankenhaus“ nennt, ging in den 70er Jahren die Gesundheitsbewegung aus. Die Belegschaft lobt Huber für ihr „besonderes soziales Engagement“ und ihre „multikulturelle Erfahrungskompetenz, die es nirgendwo sonst gibt“. Das große Handicap sei indes die aus 13 Chefärzten bestehende Führungsriege des Hauses, „ein zerstrittener, rivalisierender Körper“. Das weisen die Chefs in aller Entschiedenheit zurück. 1994 wollte Pro-Urban eine Drogenambulanz an dem Krankenhaus etablieren, die auch die Erforschung von Suchtproblemen beinhalten sollte. Vergleichbares gibt es nur in einem Londoner Universitätskrankenhaus, das sich damit weltweit profiliert hat. Aber die Führung war nicht begeistert. „Man wollte mit den Schmuddelkindern nichts zu tun haben“, erinnert sich der gesundheitspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Bernd Köppl. Nach Angaben eines Arztes aus dem Urban war es zu guter Letzt aber der Senat, der das Projekt damals zu Fall brachte.

Inzwischen hat das Urban ganz andere Sorgen. Im Zuge der Krankenhausstrukturveränderung muß die Anzahl der Betten auf maximal 560 reduziert und die derzeit 13 chefarztgeführten Abteilungen auf sechs dezimiert werden. Das Krankenhaus will neben den Pflichtdisziplinen Chirurgie und Innere Medizin die Urologie und Geburtshilfe/Gynäkologie erhalten. Aber ob Gesundheitssenatorin Hübner dem Konzept zustimmt, und ob das Urban über das Jahr 2005 hinaus eine Überlebenschance hat, ist offen. Die nächste Krankenhausbeiratssitzung am kommenden Freitag könnte, zumindest was das Konzept angeht, sehr entscheidend werden.

Das Dilemma ist, daß das Haus keine Lobby im Senat hat. Ganz im Gegenteil. Gesundheitsstaatssekretär Detlef Orwat (CDU) sei ein „erklärter Feind des Urban“, benennt der Bündnisgrüne Köppl das Problem. Die Pressesprecherin der Gesundheitsverwaltung, Gabriele Lukas, weist dies entschieden zurück: Orwat treffe seine Entscheidungen unter „rein fachlichen Gesichtspunkten“.

Die Art, wie Hübner und Orwat mit dem Urban umgehen, läßt allerdings bezweifeln, daß die beiden wissen, was sie tun. Den Hinweis, daß den Kreuzbergern die anderen Hospitäler in dem mit elf Betten pro 1.000 Einwohner gut ausgestatteten Krankenhausversorgungsbereich „Mitte“ offenstünden, wird nicht nur im Urban als blanker Zynismus empfunden. Denn schließlich erfüllte das Krankenhaus nicht nur eine medizinische Aufgabe, sondern auch eine soziale Funktion.

Die Luxuspatienten der Urologiestation sind in der Minderheit, auch wenn sie viel Geld bringen. Der Alltag wird von den Kreuzbergern bestimmt. Von ganz „normalen“ Leuten. Von türkischen Immigranten, die von 12 Familienangehörigen gleichzeitig Besuch bekommen. Oder vom Junky, der sogar in seinem Penis noch eine Vene sucht, um sich den Stoff zu injizieren. „Andere Häuser lassen so einen Patienten gar nicht erst rein“, hat ein Doktor in anderen Berliner Krankenhäusern erfahren. Plutonia Plarre