Kaufhausschurken Von Carola Rönneburg

Sicherlich wissen auch Sie nichts von der großen Kaufhausrevolte, die sich vor kurzem in Berlin zugetragen hat. Nein, nicht die Geschichte vom Teutoburger Platz in Prenzlauer Berg, wo eine importierte Bürgerwehr – die darüber wacht, daß nicht bei „Rosenbaum“ gegessen wird – es gerade dem Tengelmann-Konzern gezeigt hat: Hier geht es um Karstadtamhermannplatz.

„Ihre Meinung zählt!“ war ein Fragebogen überschrieben, den die Kunden von Karstadtamhermannplatz beantworten sollten, „um auch in Zukunft auf Ihre Wünsche und Verbesserungsvorschläge eingehen zu können.“ Als ich diese Zeilen las, stand eine beleibte Mittfünfzigerin neben mir. „Die wollen wissen, ob man sich hier gut zurechtfindet“, sagte sie, „...natürlich nicht. Weil“ – sie legte den Handzettel auf den Rand einer Sonderverkaufsfläche für Halbedelsteine – „weil Haushaltswaren mal oben und mal unten sind.“ Ich nickte zustimmend und wollte gerade gehen, als sich ein junger Mann einschaltete. „Bitte nennen Sie uns jeweils die Abteilung, die Ihnen am besten oder wenigsten gefällt“, zitierte er eine weitere Frage. „Das ist leicht: die Parfumabteilung. Drei Kassen, aber nur an einer kann man Rasierklingen bezahlen. An der anderen wird Geld gezählt, und die dritte ist nur für Rasierwasser zuständig. Und am besten...“ Er überlegte. „Die Spielzeugabteilung“, meinte ein kleiner Junge, der sich zwischen uns gedrängelt hatte. „Quatsch“, wies ich ihn zurecht. „Die haben nicht mal ordentliche Tierstempel.“ – „Hier steht: Unsere Preise sind günstig?“ monierte eine Studentin. Die Haushaltswarenexpertin lachte höhnisch. „Wann sind die hier denn mal günstig?“

Vielleicht hätte da noch alles anders verlaufen können. Aber dann fiel das Stichwort „Lebensmittelabteilung“. Für einen kurzen Moment herrschte absolute Stille. Und dann klickerte ein kleiner Amethyst zu Boden und besiegelte den Untergang von Karstadtamhermannplatz. „Feldsalat!“ kreischte die Studentin. „Für fünfneunundneunzig!“ Ein Rentner schwang seine Einkaufstüte. „Kohlrabi im Sonderangebot! Und von innen ist er verfault!“ Aus der achten Reihe meldete sich eine Vertreterin der Fleischfraktion. „Rin-der-bra-ten“, johlte sie, „wißt ihr, was ich meine?“ Szenenapplaus: Wer hatte noch nicht bei Karstadtamhermannplatz ein Stück eingeschweißten Braten gekauft und sich zu Hause gefragt, wie in aller Welt man die Sehnen so geschickt hatte wegfalten können? „Rin-der-bra-ten“ wiederholten wir. An dieser Stelle erinnerte nun noch jemand an die unregelmäßige Neusortierung des Butterregals – „wenn es plötzlich nur noch Tiroler Almbutter für vierfuffzich gibt“ –, und dann geriet die Menge in Wallung. „Nieder mit Karstadtamhermannplatz!“ brüllte die Versammlung. „Schluß mit dem Kohlrabiterror!“ In der Gartengeräteabteilung bewaffneten wir uns. Ausgestattet mit Handschuhen und Schläuchen, tauchten wir hinab in die Lebensmittelabteilung und gewannen die Schlacht dank unserer Tiroler Almbutterschleuder innerhalb weniger Minuten.

Tags darauf: kein Wort in den Medien. Nur die FAZ widmete sich dem abgebrannten Supermarkt vom Teutoburger Platz und erinnerte an den Frankfurter Kaufhausbrand von 1968.