Anal – illegal – Kanzlerqual

Einige nackte Hintern ärgerten 1995 den Sommerurlauber Kohl und seine Ehefrau am Wolfgangssee – weshalb die „Spaßaktion“ jetzt von der österreichischen Justiz wegen „Verletzung des öffentlichen Anstands“ verfolgt wird  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Des deutschen Kanzlers Ruhe am Wolfgangsee verteidigen die östereichischen Behörden mit allen Mitteln. Am kommenden Dienstag werden in Salzburg deshalb mehrere Strafbefehle wegen „Verletzung des öffentlichen Anstands“ verhandelt, die die Bezirkshauptmannschaft Salzburg an junge deutscher Urlauber nach einer „Spaßaktion“ auf dem Wolfgangssee verschickt hat.

In den „Straferkenntnissen“ über 4.000 Schilling (knapp 600 Mark) wird den jungen Leuten vorgeworfen, „lautstark den Vornamen des deutschen Bundeskanzlers gerufen und dabei ihr Hinterteil entblößt“ zu haben. Die insgesamt gut zwanzig jungen Urlauber, von denen sich sieben inzwischen zu einer „Interessengemeinschaft der Kohl-Geschädigten“ zusammengeschlossen haben, sollen den „Anstand verletzt“ haben, indem sie „ihr nacktes Hinterteil in Richtung Ufer“ zeigten. Mit der Berufung von fünf Mitgliedern der Interessengemeinschaft gegen ihren Strafbefehl muß sich am Dienstag der Unabhängige Verwaltungssenat in Salzburg befassen.

Entblößt wurden die Hintern im August 1995, just an dem Tag, als die Kohl-Familie am Wolfgangsee ihr 25jähriges Urlauberjubiläum feierte. Mit zwei Booten hatten sich die jungen Leute, die ein Transparent mit der Aufschrift „Ferien für alle – Kohl in die Produktion“ mitführten, dem Haus von Helmut und Hannelore bis auf rund 500 Meter genähert. Über die „Helmut, Hemut“-Rufe und die nackten Gesäße habe sich der Kanzler prächtig amüsiert, berichtete der Spiegel später.

Von Freude der Kanzlers über die Demonstranten ist in den Strafbefehlen allerdings nicht die Rede: Die Eheleute Kohl müssen sich über die Protestaktion ziemlich echauffiert und die Polizei verständigt haben. „Abteilungsinspektor Reiff vom Gendarmerieposten St. Gilgen wurde am 2.8.95 von Frau Dr. Kohl über Handy verständigt, daß sich bei der Untiefe in der Brummwinklbucht vor ihrem Feriendomizil eine unzumutbare Sauerei abspiele“, so der Strafbefehl.

Vom Nachbarbootssteg aus habe der Polizist ersehen können, daß sich „in der Untiefe zwei Boote mit 10 bis 12 Presonen befanden und alle in diesem Booten befindlichen Insassen ihr nacktes Hinterteil in Richtung Ufer zeigten, wobei sie laustark den Namen des deutschen Bundeskanzlers, ,Helmut, Hemut‘, schrien.“ Auf die Kundgebung hätten die Anwohner und „auch der deutsche Bundeskanzler und dessen Gattin aufgebracht reagiert“.

Nach Meinung der Interessengemeinschaft waren allerdings die entblößten Gesäße vom Kohlschen Ferienhaus aus kaum zu erkennen. „Frau Hannelore hat einen Feldstecher benutzt, anders läßt sich ihre Reaktion nicht erklären“, sagte gestern der Sprecher der Kohl-Geschädigten, der hannoversche Student Jost Kerkmann. Für die bevorstehende Gerichtsverhandlung ist die Interessengemeinschaft optimistisch. Schließlich habe die östereichische Polizei unterschiedslos an bloße Zuschauer der Spaßaktion wie an die eigentlichen Akteure Strafbefehle verschickt. In den Augen der Kohl-Geschädigten ist allerdings schon allein die Reise zum Verhandlungstermin nach Salzburg eine völlig überflüssige Angelegenheit.