„Daß jeder untergebracht wird, erwartet keiner“

■ Sabine Haack, Pressesprecherin von Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD), über den Versuch, per Telefonaktion in letzter Minute noch Lehrstellen für Schulabgänger zu finden

taz: In Niedersachsen suchen noch 5.083 junge Menschen einen Ausbildungsplatz. Wie will Ministerpräsident Gerhard Schröder damit fertig werden?

Sabine Haack: Seit einer Stunde haben wir Telefone geschaltet, wo sich jeder, der eine Lehrstelle sucht oder anbietet, melden kann. Wir glauben, damit die Sache in den Griff zu bekommen.

Solche Aktionen haben Gewerkschaften, Arbeitsämter und andere schon erfolglos hinter sich gebracht. Schröders Flehen sieht eher nach einer PR-Aktion eines möglichen Kanzlerkandidaten aus denn nach einem politischen Willen, etwas zu verändern.

Die Hotline hat nichts mit einer zynischen Werbeaktion gemein. Das ist eine ganz ernsthafte Angelegenheit und keine kühl kalkulierte Inszenierung nach dem Motto: Wie setze ich mich noch einmal als Retter der Welt in Szene? Es ist ein ernstgemeinter Versuch, der gelingen kann, wenn alle mitmachen.

Freundliche Appelle beeindrucken kein Unternehmen mehr. Warum steuert Schröder nicht mit konkreten Maßnahmen dagegen?

Gerhard Schröder ist ganz und gar gegen eine Ausbildungsplatzabgabe. Er ist optimistisch, daß es auch ohne geht. Wir hatten vorgestern schon ein Lehrstellenangebot, das in keiner Statistik des Arbeitsamtes auftaucht. Seit einer Stunde stehen die Telefone nicht still, und es werden nicht nur weiße Formulare für die Suchenden ausgefüllt, sondern auch gelbe, mit der Überschrift „Angebot“.

Verbürgt sich Herr Schröder dafür, daß jeder eine Lehrstelle finden wird?

Dieses Schwert, daß nicht alle versorgt werden können, schwebt tatsächlich im Raum. Und da kann man auch nur hoffen, daß die Wirtschaft da vernünftig agiert. Wenn nicht, kommt vielleicht von der Politik eines Tages etwas Drakonischeres als nur ein Appell.

Wie weit reicht die Langmut von Herrn Schröder?

Dies ist ein letzter Versuch für dieses Jahr. Das ist eine Art Feuerwehraktion. Das ist kein Krisenstab, der hier agiert. Wir versuchen nicht, uns zum besseren Arbeitsamt zu machen. Es ist die Hoffnung, daß die Arbeitgeber das Problem nicht länger an den Staat delegieren.

Wann werten Sie die Telefonaktion als Erfolg?

In dem Moment, wo man es schafft, eine Reihe junger Leute unterzubringen, die bisher dachten, dieses Jahr keine Lehrstelle mehr zu bekommen.

Sie sprechen nicht mehr von allen, die versorgt werden müssen?

Ehrlich gesagt, daß jeder einzelne noch untergebracht werden kann, erwartet niemand mehr. Interview: Annette Rogalla