Kackmeiergestammel

■ Brigitta Linde inszeniert mit Kanak Sprak 24 türkische Mißtöne vom Rande der Gesellschaft

„Sex ist händeschütteln, bruder, hier im land ist das erstmal seife und persil und frische wäsche und nach ner prägsamen nummer duft vom anderen mit gel und stinkwässerchen abschuppen, damit's haar und d'geschlechtshefe und verriebener abdruck vonnem körper, den man in der lust an sich ließ, unterm duschstrahl wegsprengt.“Solche Sätze stehen genau so in Kanak Sprak. Aus Gesprächsprotokollen mit jungen Türken der zweiten und dritten Generation hat der Kieler Autor Feridun Zaimoglu provozierende Texte gemacht, deren „Monsterdeitsch“und „Kackmeiergestammel“zu einer kraftvollen Kunstsprache wird, brutal und poetisch zugleich. 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft ist der Untertitel für Betrachtungen junger Türken, die 24 gar nicht so nette Bilder ihres Gastlandes entwerfen. Der Rapper, der Stricher, der KFZ-Mechaniker und der Dichter äußern sich wortgewaltig über Deutschland und die Deutschen.

Die Texte wurden Anfang dieses Jahres vom Deutschland Radio und Südwestfunk als Hörspiel gesendet. Nun kommen die Mißtöne aus „Kanakistan“auf die Bühne. Birgitta Linde hat die „Alemannenbeschimpfung“auf Kampnagel in Szene gesetzt. Dabei gibt sie gern zu, daß ihre Auswahl polemisch war: „Ich habe die Texte ausgewählt, in denen es um die Alemannen geht. Die Türken sollen mal richtig vom Leder ziehen über die Deutschen. Natürlich sind diese Texte rassistisch, denn sie zielen direkt unter die Gürtellinie, wo sich die ,prüde stalinregion' befindet.“

Um jeden Anflug von Naturalismus zu vermeiden, hat die Hamburger Regisseurin Kanak Sprak drei deutschen Schauspielerinnen in den Mund gelegt. Anina Michalski, Morena Bartel und Barbara Nüsse schlüpfen in die Rolle der Mittlerinnen, die uns „voller Ironie, Süffisanz und Spaß“Nachrichten aus Kanakistan überbringen. So wird Sozialkitsch vermieden und der Schwerpunkt auf die Sprache gelegt. Zwei Rapper der Gruppe Cinai Sebeke stehen auch auf der Bühne und bieten „klare Parolen“und „rauhen und prächtigen Sound, der vom Sockel haut“.

Dabei begnügt sich Birgitta Linde nicht mit den männlichen Ansichten aus Kanak Sprak. Der Autor Feridun Zaimoglu hat seine noch nicht publizierten Fraueninterviews für die Bühne freigegeben. „Diese Texte sind“, so die Regisseurin, „noch härter, noch böser und im Gegensatz zu den Männertexten kein bißchen wehleidig.“

Katja Fiedler

Premiere: Donnerstag, 9. Oktober, 21 Uhr, Kampnagel