Die Revolution rodelt

■ Die HfbK zeigt Arbeiten des berühmten Che-Fotografen Alberto Korda

Entweder hat sich die Geschichte da einen echten Non-pc-Scherz erlaubt, oder es ist einfach ein unglücklicher Zufall, daß Che Guevara gerade zu den groß angelegten Feierlichkeiten seines 30. Todestages der Rang abgelaufen wird. Noch dazu von einer Monarchin: Lady Di, so meldete die France Soir am Montag, hat soeben in Posterformat und Verkaufszahlen das bis dato meistpublizierte Konterfei der Welt übertroffen. Jenes Portrait des Guerilleros, das ihn mit Baskenmütze und entschiedenem Blick in eine gerechtere Zukunft zeigt und im Laufe der vergangenen 30 Jahre den Weg von WG-Zimmerwänden über internationale Demotransparente bis in die postmoderne Werbung und auf 10.000 Internetseiten gefunden hat.

Seine Entstehung verdankt das Bild – und Geschichte kann doch gnädig sein – einem glücklichen Zufall. „Es war am 6. März 1960. Einen Tag zuvor war in Havanna ein Schiff mit Waffen aus Mexiko von der CIA in die Luft gejagt worden, 146 Menschen kamen ums Leben. Zur improvisierten Trauerfeier war ganz Havanna versammelt. Natürlich war ich mit meiner Kamera dabei. Fidel hielt die Trauerrede, Che – er war damals Chef der Nationalbank – hielt sich im Hintergrund. Nur einmal kam er vor, ich drückte zweimal den Auslöser. 20 Sekunden, ein Hoch- und ein Querformat. Das war–s.“

20 Sekunden, die die Welt mehr bewegen sollten als das Leben von Alberto Díaz, genannt Korda. Der kubanische Fotograf, damals 32, brachte seinen Film zur Zeitung; die aber druckte lediglich ein Bild von Castro. Erst Jahre später sah ein italienischer Verleger das Che-Foto in Kordas Studio. „Es gefiel ihm sehr gut. Da habe ich es ihm geschenkt.“Daß der Verleger von dem Duplikat in den nächsten sechs Monaten eine Million Poster á 5 US-Dollar verkaufte, Kordas Namen nicht daruntersetzte geschweige denn ihm einen Cent zukommen ließ, läßt den Kommunisten mit den Achseln zucken. „Was wichtig ist“, sagt der 69jährige, der zur Eröffnung der Ausstellung Che – Geschichte einer Revolution mit seiner fünften Frau nach Hamburg gekommen ist, „ist, ein Bild geschaffen zu haben, das mich überlebt, das für etwas steht: Humanität.“

Am Beginn seiner Karriere standen solch hehre Gedanken nicht. „Als die Revolutionäre in der Sierra Maestra kämpften, ging ich einer eher frivolen Aktivität nach: Ich machte Modefotos für die Reichen.“Kordas erste Frau war Model, er pendelte zwischen Miami und Havanna und fotografierte für die Vogue. „Ich war total unpolitisch, weil ich die Vulgarität aller Politiker haßte.“Erst Castro konnte ihn beeindrucken, da er als Inspira-tionsquelle José Martí nannte – Martí, romantischer Freiheitskämpfer und kubanischer Nationaldichter, war Kordas Held. „Da habe ich mich in die Revolution verliebt“, erklärt er ernsthaft: „Alles geschieht für die Liebe.“

Zehn Jahre war Alberto Korda persönlicher Fotograf Castros – nicht offizieller, wie er betont, er habe nie ein Gehalt bekommen. Neben unzähligen Dokumentarfotos der Geschichte der Revolution gelangen ihm großartige Bilder der Privatpersonen: Fidel und Che Golf spielend, Guevara lächelnd mit Zigarre und den Füßen auf dem Tisch. 1970 fand er eine neue Liebe, die Unterwasserfotografie; 1982 ging er zurück zur Werbefotografie und belichtete kubanischen Rum fürs Ausland. Heute erhält Korda eine kleine Staatsrente.

„Nicht viele Menschen hatten in ihrem Leben so viele Möglichkeiten. Ich hatte ein sehr intensives Leben, meine Arbeit war mir Vergnügen, und ich konnte stets meine Familie ernähren. Ich bin sehr glücklich.“Daß sein umfassendes ×uvre gemeinhin auf ein Bild reduziert wird, stört ihn wenig. Und daß Che mit diesem Foto wie Micky Maus vermarktet wird, nennt er nur eine Seite der Medaille; der Kubaner ist überzeugt, mit der Ikone noch heute die Idee der Revolution in alle Welt zu tragen, und sei es auf der Spitze österreichischer Skier. Den Einwand, daß die soziale Gerechtigkeit im Zuge der Globalisation doch eher zurückgedrängt werde, läßt der Mann mit Che-Plastikuhr am Arm nicht gelten: „Ich lebe in einem Land, wo die Menschen noch daran glauben.“Und Lady Di-Poster kann man da gar nicht kaufen. Christiane Kühl

Ausstellung heute, 19 Uhr, bis 31. Oktober, HfbK, Lerchenfeld 2. Das 3001-Kino zeigt morgen, 20.30 Uhr, ein Portrait Kordas von Oliver Ness und Hans-Peter Weimar