Transrapid für Moralisten

■ Vater war ein Außerirdischer: Jodie Foster sucht in Robert Zemeckis größtem Witz "Contact" den Sinn des Lebens, das Universum und den ganzen Rest. Mehr Überlänge, als ein Film verträgt

Irgendwo, weit weg vom blauen Planeten, kreist vielleicht ein Dark Star, ein Universum, bevölkert von Wesen höchster Intelligenz. Der Interpretation in „Contact“ zufolge, Robert Zemeckis neuem Film, sind höchste Intelligenz und höchstes technisches plus ethisches Niveau identisch. Der Ansatz ist nicht ohne, denn Ethik wurde bekanntlich von Menschen erfunden. Möglicherweise existiert bei der extraterrestrischen Intelligenz zwar keine Ethik, dafür aber eine Vethik. Etwa so, wie Regisseur Mel Brooks einst aus Mensch und Köter den „Möter“ synthetisierte, auch ein wundergutes Außerirdischen-Wesen.

Eins spricht unbedingt für die Existenz von Außerirdischen. „Wenn wir die einzigen Lebewesen im All sind, wäre das eine ziemliche Platzverschwendung“, hat Vater Arroway dem kleinen Wunderkind Ellie beigebracht und seine Hochbegabung behutsam gefördert. „Contact“ ist in gewisser Weise selbstreferentiell: Ein Mythos spielt einen Mythos, Jodie Foster eine brillante, extraintelligente, schöne, eigensinnige Astronomin. Ellie Arroway „wartet darauf, daß E.T. anruft“. Wissenschaftssponsoren, Weißes Haus, Christen und Terroristen krümmen sich vor Lachen. Dann ortet Doktor Arroway doch Signale aus dem All, und ein Zirkuskrieg bricht aus – die Konkurrenz von Staat, Kirche, Wissenschaft und Geheimdienstlern. Letztere werden in „Contact“ auch wie Aliens behandelt, nur wie böse.

Die Ersten werden die Letzten, werden die Ersten sein. Zemeckis, das nur am Rande, kommt offenbar mit seinem Katholizismus zurecht. Die Bibel wird nicht gerade erwähnt, aber um Glauben geht es in „Contact“ unbedingt. Um Wahrheit, den Preis des Fortschritts, Gott, die Leere im Leben und Spiritualität auch: nicht zu übersehen, wie Ellie mit Schleierhut in der Wüste von New Mexico vor Riesenteleskopen yogiiert, die aussehen wie zum Beten sich schließende Hände. Ja, der Glaube spielt eine große Rolle, nur muß beim Drehen niemandem so recht aufgefallen sein, daß zwischen einer fanatischen Wissenschaftlerin und einem religiösen Fundamentalisten die Grenzen so genau sich nicht ziehen lassen. Wie unterscheidet man Leidenschaft, Besessenheit und Fanatismus? Wie Gut und Böse?

Ein Actor, so raffiniert wie ein Zwieback

Liebe ist auch Glaube – oder doch Wissen? Matthew McConaughey soll eigentlich die Rolle des Möchtegernpriesters ausfüllen, der als spiritueller Berater im Weißen Haus Karriere macht, ist aber nichts als ein widerlicher Schleimbeutel mit Hippielocken, als Actor etwa so raffiniert wie ein Zwieback, und das den ganzen langen Film über. Palmer und Ellie (warum nur muß ich bei diesem Namen immer an Miss Ellie aus „Dallas“ denken?) begegnen sich, alsbald fällt ein erotischer Regen, und schon liegen sie zusammen im Bett. Schon am ersten Abend, also nein. Das war ein Scherz!

Der blutige Ernst Zemeckis aber ist, daß er Arroway, die – unbeabsichtigtes Abfallprodukt ihrer Forschungen – vielleicht beweisen wird, daß es keinen Gott gibt, als – Medusenlocken und Brust raus – Hure Babylon beim Präsidentenball erscheinen läßt.

Gegen Moral ist, meine Meinung, nichts einzuwenden. Es gibt Dinge, die nicht oft genug gesagt oder gefragt werden können. Wie überwindet die Menschheit ihre „technische Pubertät“, ohne sich selbst zu zerstören? Wäre es möglich, Wissenschaft und Spiritualität zu verbinden, wobei letztere nicht mit Religion zu verwechseln ist. Es gehört zu den platonischen Qualitäten von „Contact“, daß der Film die Sinnsuche ernstzunehmen versucht. Der Versuch scheitert phänomenal. Woher kommen wir, wohin gehen wir? Da denkt, wer auch nur (Selbsterhaltung!) eine Spur vom Suizid entfernt ist, an Douglas Adams und nicht an, sagen wir, Kant.

„Contact“ erzählt in einem Subplot vom Drama des begabten Kindes. Eine spannende Angelegenheit, die Zemeckis (u.a. „Zurück in die Zukunft“, „Forrest Gump“) jedoch ebenfalls konsequent versaut. Ellies Vater stirbt, als sie neun ist. Sie gibt sich die Schuld. Mit der Gewichtung dieses Todes wird Ellies wissenschaftliche Brillanz zur ewigen Vatersuche degradiert, zum Übervater-„Contact“, und schreibt sich auch in Ellies Anhänglichkeit an ihren berühmtheitssüchtigen Exmentor Drumlin (Tom Skerritt) fort.

Jodie Foster ist alles, was vom Film bleibt

Dieser Wahlvater wird sie heilsam enttäuschen. Total einsichtig ist, warum Jodie Foster sich auf dieses schiefe „Contact“-Projekt eingelassen hat. Ihre Doktorin Arroway ist eine hart arbeitende Wissenschaftlerin, die von alten mächtigen Männern, die Gott spielen (diese Verbindung stellt die Regie explizit her), um die Anerkennung für ihre Arbeit betrogen wird. Nicht „Doktor“ Arroway wird sie einmal bei einem Hearing genannt, sondern „Miss“. Wo Foster als Ellie eine Reinkarnation von Jeanne d'Arc ist, übernimmt McConaughey die Mädchenrolle.

Jodie Foster gehört zum wenigen, was von „Contact“ übrigbleiben wird. Sie ist wunderbar, ganz magnetisierende Iris, ganz asthenisch bebende Nasenflügel. So souverän wie sie in Jay Lenos „Tonight Show“ schlagfertig, sleek und urban in Armani glänzte, hüpft sie für „Contact“ als working girl in Jeans. Doch selbst hier möchte man weinen. Die Wissenschaftlerinnenbrille!! Fällt Hollywood denn keine andere Requisite ein, um zweifelsfrei klarzustellen (huhu, ein Zaunpfahl!), daß die da auf der Leinwand womöglich sogar Akademikerin ist?

Und dann das. Da macht man sich die Mühe, fliegt ins All, und dann sieht es bei den Außerirdischen auch nur aus wie in Pensacola, Florida. Freischwingende Ferienpalmen, türkisblaues Meer. Daddy schwebt den Strand entlang, nur daß er ganz und gar glitzert, weil er ja schon tot ist. Oder gibt es doch ein Leben danach? Ein Mensch von Größe ist gewiß in der Lage, Robert Zemeckis einiges nachzusehen: diesen Science-fiction-Kitsch, die unsägliche Statik seiner Dramaturgie, die Supermarktphilosophie und sogar die Überüberlänge des Films – so lang kann unsereins gar nicht schreiben. Was man Zemeckis aber nie verzeihen sollte, ist die Filmmusik, dieses Klingklong-Leitmotiv, das schon nach „Forrest Gump“ einen Genesungsaufenthalt im Sanatorium notwendig machte. Anke Westphal

„Contact“. Regie: Robert Zemeckis. Mit Jodie Foster, Matthew McConaughey, Tom Skerritt, James Woods, John Hurt, Angela Bassett u.a. USA 1997, 140 Min.