Kurz vor dem Euro-Sanierungsziel alles aufgeben?

■ Die italienischen Börsen reagieren überraschend gelassen auf mögliche Neuwahlen

Rom (taz) – Italiens Börsenexperten reiben sich die Augen: Früher, wenn die jeweiligen Regierungen nur ein kleines Zeichen von Schwäche gezeigt hatten, war der Aktienindex ins Tal gesaust, die Lira auf neue Rekordtiefen gefallen. Doch nun, wo es eine schwere Regierungskrise mit anschließenden Neuwahlen geben könnte, die alle Opfer in Sachen Euro umsonst erscheinen lassen würde, reagieren die Makler und Händler mit großer Gelassenheit. Gerade mal ein paar Zehntelpunkte variiert der Aktienindex Mibtel. Die Währung bleibt gegenüber der Mark bei Werten um 980 Lire pro DM.

Experten vermuteten zunächst, daß die Geld- und Wertpapierhändler einfach nicht glauben wollen, daß es ernst werden könnte – so absurd erscheint es, kurz vor dem Sanierungsziel alles aufzugeben. Doch nicht wenige Bösenkenner sehen das inzwischen anders: Italien, so der Leiter einer großen Agentur in Mailand, sei „selbst für viele vordem grundsätzlich Italien- kritische Anleger mittlerweile ganz einfach zum sanierten Land“ geworden: Selbst wenn es Neuwahlen gäbe, „kann es sich keine künftige Administration erlauben, noch zurückzufahren“. Der Euro- Zutritt, den manche Länder Italien gerne verwehrt hätten, werde „auch dann möglich sein, wenn dieses Haushaltssicherungsgesetz so nicht durchkommt“.

Doch so ganz sicher sind auch solche Optimisten nicht – sie wissen, daß mittlerweile zumindest die Deutschen die Masstricht-Kriterien doch noch erfüllen könnten und fürchten, daß dies zu einer erneuten Absage an Italien führen würde. „Dann allerdings“, so der frühere Außenminister und Euro- Skeptiker Antonio Marino, „könnte es erneut überaus brenzlig werden“. Er selbst sähe das nicht als großes Unglück: „Wir alle wissen, daß der Haushalt von der derzeitigen Regierung allenfalls kurzfristig saniert ist, daß in wenigen Monaten erneut große Löcher klaffen werden. Besser, mit dem Euro noch warten, bis eine eher sanfte Konsolidierung geschehen ist, als dieses Hauruckverfahren, das unser Land sowieso schon an den Rand des Ruins gebracht hat.“ Werner Raith