Irritierend

■ betr.: „Joachim Gauck: Schmuse kurs mit der DDR“, taz vom 29.9. 97

Joachim Gauck hat Egon Bahr und Wolfgang Schäuble aufgefordert, sich wegen ihrer Gespräche mit Honecker oder Schalck-Golodkowski „der Diskussion zu stellen“. Viele West-Politiker hätten „gegenüber der SED-Diktatur eine Sprache gesprochen, die kritikwürdig ist“. Das mag nun wirklich sein. Irritierend ist aber immer mehr: Wozu benutzt Herr Gauck eigentlich sein Amt als Bundesbeauftragter für die Stasi-Akten? Man hätte annehmen sollen, daß die Verwaltung dieser Akten ausschließlich dazu dienen müßte, vom MfS zu verantwortende Verfolgungen, Diskriminierungen und Drangsalierungen aufklären zu helfen. Herr Gauck scheint die Stasi-Akten dagegen vornehmlich als Fundgrube anzusehen, in die er nach Belieben hineingreifen darf, um sich in die allgemeine politische Debatte einzumischen. Wie er das tut, läßt kaum noch eine Abscheu über geheimdienstliche Aufzeichnungen – welcher Art auch immer – erkennen, sondern eher Dankbarkeit, daß das MfS so viel (für ihn) notiert hat. Warum macht ihm eigentlich niemand aus den großen Parteien klar, daß er sich aus den Stasi-Akten nicht wie aus einem politischen Privatarchiv bedienen darf? Jürgen Reents, Pressesprecher

der PDS, Bonn