Meisterzwang für die letzte Klitsche?

Die Handwerksordnung soll geändert werden, Branchen wie Computerverkäufer, Buchdrucker oder Kosmetiker protestieren gegen die Berufseinschränkung. Hinter den Kulissen in Bonn wird heftig abgestimmt  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – In aller Stille bereitet das Bonner Wirtschaftsministerium eine Gesetzesänderung vor, die ganze Branchen in Deutschland betrifft. Die Handwerksordnung soll modernisiert werden. Im September war eine parlamentarische Anhörung, über die Gesetzesvorlage wird „in den nächsten Wochen abgestimmt“, wie der zuständige parlamentarische Staatssekretär Heinrich Kolb (FDP) gestern bestätigte. Irgendwann im nächsten Jahr sollen die Änderungen „möglichst im Konsens mit allen politischen Kräften“ geltendes Recht werden.

Was wie entfernter Paragraphengalopp aus Bonn klingt, hat für die einzelnen Betriebsinhaber vor Ort teilweise harte Konsequenzen: Mit der neuen Handwerksordnung sollen nicht nur die Inhalte der bestehenden 127 Meisterprüfungen aktualisiert werden, sondern auch neue Berufe in den Anhang A aufgenommen werden. Im Gespräch sind unter anderem Datenverarbeiter, Kosmetiker oder Offset-Drucker. Wenn ihr Gewerbe künftig im Anhang A der Handwerksordnung auftauchen sollte, müssen sie oder ein Angestellter eine Meisterprüfung in der Tasche haben. Die Gebühren für den Kurs und der Verdienstausfall durch das monatelange Pauken können je nach Beruf bis zu 100.000 Mark kosten, und vorher muß der Meister in spe ja auch noch Geselle gewesen sein.

Die Wogen schlagen hoch: Von 25.000 EDV-Betrieben von der Softwarefirma bis zur Computerbastlerklitsche sieht die Branche viele gefährdet. „Es ist unsinnig, die Handwerksordnung auf einen so dynamischen Handwerkszweig wie die Computerbranche auszudehnen“, meint Wilfried Malcher vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels. „Die Qualität der Betriebe wird auch anders gesichert. Wir brauchen angesichts der Arbeitsmarktlage freie Marktwirtschaft und keine Berufszugangsschranken.“ Karl Spelberg vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) sieht das genau umgekehrt. „Mit Meisterprüfung hat man auf dem Markt bessere Zugangschancen als ohne, das zeigen unsere Statistiken“, so der Abteilungsleiter für Berufsbildung beim ZDH. Spelberg sagt, es gehe nicht um Programmierer oder Computerhändler, die Software auf den Rechnern ihrer Kunden installieren. Betroffen sind Händler, die Hardware reparieren oder warten. „Und die müßten eigentlich auch bisher schon einen Meister in Büro- und Informationselektronik haben.“

Wie viele Meister auch immer in welchen Branchen tätig sind, die Diskussion geht für viele in Handel und Industrie in die falsche Richtung. Für sie sollte der Geltungsbereich des Meisterzwangs eingeschränkt werden statt ausgedehnt. „Neue Handwerke können ja definiert werden, aber doch nicht so, daß dann jeder in diesem Bereich Meister werden muß“, sagt der HDE.

Für die Kosmetiker scheint die Sache entschieden zu sein. Sie brauchen laut Spelberg vom Handwerksverband auch künftig keinen Meister: „Da kamen Forderungen aus den neuen Ländern, weil das in der DDR ein Vollhandwerk war. Die Verbände in Westdeutschland waren aber dagegen und setzen sich wohl durch.“