Viele Taten, doch er war immer nur das Opfer

■ Rainer Körppen, Hauptangeklagter im Prozeß wegen der Ermordung des Frankfurter Millionärs Jakob Fiszman, entschuldigte sich und beschuldigte seinen mitangeklagten Sohn

Frankfurt (taz) – Stundenlang redete er gestern vormittag, der des Mordes und der zweifachen Entführung angeklagte Rainer Körppen. Er bestritt nicht nur den Mord an dem Frankfurter Unternehmer Jakob Fiszman, sondern auch dessen Entführung im Oktober 1996: „Ich habe den Herrn Fiszman nicht entführt und nicht wissentlich zu seiner Entführung beigetragen“, sagte er.

Sein mitangeklagter Sohn Sven hatte die gemeinsame Entführung zugeben, den Tod Fiszmans aber seinem Vater angelastet. Sven, so Rainer Körppen, beschuldige ihn zu Unrecht: „Er hat immer schon Geschichten erzählt, und das Gefährliche daran ist, daß er sie glaubt.“ Es falle ihm als Vater schwer, vor Gericht zu sagen, daß sein Sohn wohl „bedauerlicherweise unzweifelhaft involviert“ sei in die Entführung.

Er selbst erzählte dann vor dem Frankfurter Landgericht seine Lebensgeschichte als eine dichte Folge unglücklicher Umstände. Der Tod seiner ersten Frau 1977, für den er wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu über zehn Jahren Haft verurteilt worden war, sei ein tragischer Unfall gewesen.

Einen Zuhälter habe er 1971 beim Kampf um die Waffe in Notwehr erschossen. Ein von ihm gestohlenes Auto habe er eigentlich nur umgetauscht, Hohlblocksteine auf einer Baustelle nur ausgeliehen, einen Meineid nur gekauft, damit er als Freigänger nicht wieder in Haft müsse, zwei antiquarische Stühle nicht entwendet, sondern als Ausgleich für nicht gezahlte Außenstände mitgenommen, einer seiner Freundinnen das Nasenbein nur versehentlich gebrochen, andere Lebensgefährtinnen selten geschlagen und nur, wenn sie ihn provozierten.

Für die Entführung eines Neffen von Fiszman im Jahr 1991 machte Körppen gestern einen früheren Mitarbeiter verantwortlich: Er selbst habe den Jungen und dessen Schulkameradin im Keller seines Hauses entdeckt und nach Köln gebracht. Natürlich habe er sich bemüht, von den Kindern nicht erkannt zu werden.

Sein Sohn sei labil und schon in der Schule „nicht richtig mitgekommen“, habe später Drogen genommen und sich seine belastenden Aussagen über einen notorisch brutalen Vater nur ausgedacht, so Körppen. Es stimme einfach nicht, wenn Sven erzähle, sein Vater habe als Strafe für den Sohn ein Zicklein umgebracht oder gar einen Hund erschlagen: „Ich schwöre, daß er lügt. Wir hatten nie eine Ziege.“

Er berichtete auch ausführlich über seine drei Ehen in Deutschland und eine in Thailand, bei denen er meist die vorhergehende mit der darauffolgenden Ehefrau betrog. Daß er „hier lügen und da lügen“ mußte, wollte er „gar nicht schönreden“. Manchmal sei er auch „aufbrausend“, aber nie gewalttätig.

Für den Tod seiner Ehefrau 1977 sei er, so Körppen, zu Unrecht verurteilt worden, fühle sich aber bis heute „moralisch schuldig“. Immer wieder redete Körppen gestern von sich in der dritten Person, so auch, als er sein Verhältnis zu Renate Körppen, seiner letzten Ehefrau, beschrieb. Sie war nach der Entführung als Angestellte in der Firma von Jakob Fiszman ebenfalls unter Tatverdacht geraten.

Die Aussagen seines Sohnes erklärte er aus „einer Haßliebe“, die Sven Körppen aus für ihn erst heute erklärbaren Gründen hege: „Ich habe wahrscheinlich zu viel von meinem Sohn verlangt. Ich weiß, daß er eine schwere Kindheit hatte.“ Sven Körppen hörte die Aussagen seines Vaters meist mit gesenktem Kopf und knetete dabei fast ununterbrochen seine Hände. Einmal unterbrach er ihn: „Es hat dich nie interessiert, was ich gefühlt habe.“

Rainer Körppen bestritt gestern heftig die Aussagen von zwei Mitgefangenen. Einer hatte gesagt, Körppen habe ihm die Fiszman- Entführung gestanden, ein anderer, Körppen habe im Gefängnis geplant, seinen Rechtsanwalt als Geisel zu nehmen und auszubrechen. All dies werde ihm zu Unrecht angehängt. Bisher habe ihm jedoch weder jemand zugehört noch geglaubt: „Ich bin vorverurteilt.“ Heide Platen