Rentenreform heute im Bundestag

■ Koalition verabschiedet ihr Gesetz zur Senkung des Rentenniveaus

Berlin (taz) – Der Föderalismus zwingt die Bonner Parlamentarier gelegentlich, mehrmals über dasselbe Thema abzustimmen. So wird es heute geschehen, wenn die Koalitionsparteien im Bundestag gleich zwei Gesetze zur Rentenreform verabschieden. Der doppelte Aufwand für die Abgeordneten hat einen einfachen Grund: Die eine Gesetzesvorlage, mit der im kommenden Jahr die Mehrwertsteuer um einen Punkt erhöht werden soll, um die Beitragssätze für die Rentenkasse auf dem heutigen Niveau zu halten, muß den Bundesrat passieren. Dort allerdings wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit scheitern, weil die Mehrheit der von der SPD oder rot-grün geführten Länder dagegen ist. Mit der zweiten Vorlage können Union und FDP die eigentliche Rentenreform heute dennoch unter Dach und Fach bringen, denn dafür ist allein die Zustimmung des Bundestags ausreichend.

Kern der Vorlage aus dem Hause des Bundesarbeitsministers Norbert Blüm (CDU) ist die geplante Absenkung des Rentenniveaus. Ab 1999 soll das durchschnittliche Nettorenteneinkommen eines Arbeitnehmers von bisher 70 Prozent – nach 45 Jahren Beitragszahlungen – stufenweise heruntergefahren werden. Zwischen den Jahren 2015 und 2030 wird das Renteneinkommen dann nur noch 64 Prozent betragen. Zu einem Zeitpunkt also, da die Überalterungspyramide der bundesdeutschen Gesellschaft ihren Gipfel erreicht hat.

Ursprünglich hatte die Union Blüm versprochen, für verbesserte Leistungen bei den Kindererziehungszeiten, die im Juli 1998 in Kraft treten sollen, rund 15 Milliarden Mark zur Verfügung zu stellen. Diese Summe soll über die Erhöhung der Mehrwertsteuer eingebracht werden. Weil dies aber durch die Blockade im Bundesrat nicht geschehen wird, droht nun für 1998 genau das, was Norbert Blüm eigentlich im Wahlkampfjahr vermeiden wollte: nach diesem Frühjahr eine erneute Erhöhung der Beitragssätze. Sie könnten – endgültige Zahlen werden in diesem Monat erwartet – dann von derzeit 20,3 auf 20,5 oder schlimmstenfalls auf 20,8 Prozent steigen.

Eine klare Verschlechterung bringt die Reform für die Bezieher von Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsrenten. Nur diejenigen, die nicht mehr als drei Stunden täglich arbeiten können, erhalten die vollen Bezüge. Eine halbe Rente wird gezahlt, wer zwischen drei und sechs Stunden arbeiten kann. Die Rente wird also künftig allein vom Gesundheitszustand der Betroffenen abhängen und nicht, wie nach jüngster Rechtsprechung, von der Lage auf dem Arbeitsmarkt und dem Beruf des Betroffenen. Severin Weiland