Muslimische Mehrheit im jetzt serbischen Srebrenica

■ Die Partei der Vertriebenen gewinnt die Kommunalwahlen. Rückkehr unerwünscht

Srebrenica (taz) – Die serbische Bevölkerung der ostbosnischen Stadt Srebrenica gibt sich gelassen. Obwohl die muslimische Seite die Mehrheit der Sitze bei den am 13. September abgehaltenen Kommunalwahlen gewonnen hat, gerät in der im Juli 1995 von serbischen Truppen eroberten Stadt niemand in Panik. Denn das Ergebnis – 24 Sitze für die „Koalition für ein einheitliches demokratisches Bosnien“, das Wahlbündnis der vertriebenen muslimischen Bevölkerung, zwölf Sitze für die Karadžić- Partei SDS und acht Sitze für die Serbische Radikale Partei des Vojislav Šešelj – ist nach der Registrierung der Wähler schon zu erwarten gewesen.

Im Büro der serbischen Nationalistenpartei SDS ist die Stimmung entspannt. Es trifft sich gerade eine Gruppe von Jugendlichen. „Ich bin ein Nationalist“, sagt Zoran, der eigentlich aus Sarajevo stammt, „aber kein Chauvinist.“ Das Wahlergebnis würde von den Menschen hier akzeptiert, weil nichts anderes zu erwarten gewesen wäre. Rund 9.000 Serben hätten gewählt gegenüber 11.000 Muslimen. Doch eine Rückkehr der vertriebenen Muslime hält er nicht für möglich.

Die Serben sind also im neuen Gemeinderat in die Minderheit geraten. „Macht nichts“, sagt auch Biljana, Mitglied der Karadžić- Partei SDS. „Die Gemeinderäte können ruhig nach Srebrenica kommen und hier etwas beschließen. Es fragt sich nur, ob die Beschlüsse dann auch umgesetzt werden.“ Die Front der Serben bliebe hart. Die muslimische Bevölkerung wird ihrer Meinung nach nicht nach Srebrenica zurückkommen. „Die Stadt ist jetzt halt serbisch.“

Rund 10.000 bosnische Serben leben jetzt hier, erklären die Stadtoberen. Die meisten wurden aus anderen Orten Bosniens hierhergebracht. Einer der wenigen Bewohner, die schon vor dem Krieg in Srebrenica ansässig waren, ist Zoran P., der sich einen Kiosk gemietet hat. Er vertreibt Süßigkeiten aus der Türkei. Was eines gewissen Witzes nicht entbehrt, werden die Muslime Bosniens doch von serbischen Nationalisten als „Türken“ beschimpft. Auch Zoran lacht darüber. Er habe nichts gegen seine alten Nachbarn, sagt er. Eine Rückkehr könne er sich aber nicht vorstellen.

In der Polizeistation ist gerade Schichtwechsel. Viel Aufregung gebe es hier nicht, sagt einer der Polizisten. Er stammt selbst aus Bosanska Krupa. Über das Gehalt von 200 Mark ist er nicht gerade begeistert. Er fragt nach den Gehältern der muslimischen und kroatischen Kollegen (300 beziehungsweise 600 Mark).

Sollte die internationale Gemeinschaft beschließen, die muslimische Bevölkerung zurückzuschicken, dann „müßte man halt wieder zusammenleben“, sagt sein Kollege. Und beide zeigen sich mehr interessiert an den Preisen von Gebrauchtwagen in Europa als an den Ergebnissen der Wahlen. Erich Rathfelder