Hirnficktransplantation

■ Birgitta Linde läßt „Kanak Sprak“auf Kampnagel sprechen

Um die „Scheiße mit den zwei Kulturen“geht es in Feridun Zaimoglus Buch Kanak Sprak, und die Uraufführung seiner Prosa am Donnerstag auf Kampnagel war vielleicht so etwas wie der Kommentar zum Aus für die doppelte Staatsbürgerschaft. Im Gegensatz zu Zaimoglus Vorlage, in der er jungen Türken der zweiten und dritten Generation eine Stimme verleiht, sind es in Birgitta Lindes Inszenierung drei deutsche Frauen, die sich zu Wort melden. Das Buch bezieht seine Spannung vor allem aus der Lebendigkeit einer Sprache, die versucht, sich durch ihre Codierungen, Rauhheiten und Regelbrüche der Verschriftlichung zu entziehen. Auf der Bühne wird dieser Vorgang wieder rückgängig gemacht, das heißt, Geschriebenes wird wieder zu Gesprochenem.

Inszeniert funktioniert diese Sprache nur zum Teil. Nämlich dann, wenn den Schauspielerinnen Raum gelassen wird, ohne symbolische Handlungen, untheatralisch in einen Flow zu kommen, den ganzen „Hirnfick der Alemannen“in einem Monolog auszupacken. Gleichzeitig, und das ist das Merkwürdige und Irritierende, verliert diese Sprache dann, wenn sie Spaß macht, ihre soziale Brisanz und ist in solchen Momenten beängstigend nah daran, einfach nur Teil einer weiteren modernen Theaterinszenierung zu sein.

Verschlüsselt kommen die Gesten der Schauspielerinnen daher. Ein ständiges Auspacken von Dingen, die abermals verpackt sind. Das Abrollen des nicht enden wollenden Bandes eines Tapes. Wofür steht es? Für die vertrackte Situation der Türken und Türkinnen der zweiten und dritten Generation? Oder Packpapier gleich Schleier?

Im Gegensatz dazu, den Texten vollkommen angemessen, die Rap- und Breakdance-Einlagen der deutsch-türkischen Rap-Gruppe Cinai Sebeke, die dafür sorgen, daß Kanak Sprak nicht komplett als pures Theater aufgeht, sondern immer noch auf die Straße verweist, auf der diese Sprache gesprochen wird.

Jens Kiefer

bis nächsten Samstag, außer Mo/Di, 21 Uhr, Kampnagel