Trockenbeerenauslese on the rocks

■ Wein-Etiketten können hilfreich sein – für den, der sie zu entschlüsseln weiß

Der Namenszug auf dem Etikett klingt verheißungsvoll: „Cave de la Reine blanche – Der Keller der weißen Königin“. Ein samtiger Burgunder soll es sein, dessen erlesener Geschmack die Angebetete von nebenan hoffentlich von meinem Kennerblick überzeugt.

Was das Etikett nicht zeigt: Der Zusatz „Mis en bouteille dans nos caves – in unseren Kellern verflascht“, verrät ein Weinlexikon, steht für Massenabfüllung im Großvertrieb. A la proprieté, au Chateau, all' origine oder Estate bottled sind die Worte, die eine Winzer-Abfüllung anzeigen.

Ganz ohne Worte zwinkert mir „Don Andimar“unter einem Zorrohut vom Etikett seiner Flasche einladend zu. Mit den sparsamen Hinweisen „Vino de mesa“und „Tinto“– „Roter Tafelwein“schien der Inhalt dem Hersteller offenbar ausreichend beschrieben. Der spanische „Don“kostet pro Flasche 2,49 Mark. Dafür kommt man hierzulande nicht mal vom Dammtor nach Altona.

Wie wärs statt dessen mit einem „96er Rheinhessen Bereich Nierstein Kabinett Müller-Thurgau Faberrebe Qualitätswein mit Prädikat halbtrocken“und 12stelliger amtlicher Prüfnummer? Die Informationsfülle ist beeindruckend, aber ein Blick ins Lexikon ernüchtert. Das „Prädikat“ist lediglich eine Dopplung von „Kabinett“, der niedrigsten der sechs deutschen Qualitäts-einstufungen (Auslese, Spätlese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese, Eiswein). Richtig gelesen enthält der Etikettenbandwurm also lediglich die fröhliche Aufforderung: Finger weg!

Greifen wir doch lieber zu einem „Blanchet“, dem „trockenen Franzosen“. Den gibt es allerorten palettenweise und ohne jede Jahrgangsangabe. Wie er bei der von seriösen Weinführern empfohlenen idealen Weißweintemperatur von 12 Grad mundet, sollte man wohl lieber nicht testen. Besagt doch die Empfehlung auf dem Rückenetikett: „Sein trockener Geschmack erschließt sich am besten bei 8 bis 10 Grad“– on the rocks sozusagen.

Die Weinwelt ist offenbar verwirrend und nur ausnahmsweise gut – auch wenn deutsche Weine des Überblicks halber gesiegelt werden. Gelb steht für trocken, grün für halbtrocken und rot für lieblich oder süß.

Das ist immerhin etwas, aber da Etiketten scheinbar nur demjenigen etwas sagen, der sie zu lesen versteht, werde ich demnächst auf die Flaschenbeschau im Supermarkt verzichten. Ich lasse mich lieber im Weingeschäft um die Ecke beraten und blättere weiter in den 500 Seiten von Horst Dippels Weinlexikon, das für 19,90 Mark bei Fischer als Taschenbuch zu haben ist. Dann klappts irgendwann auch mit der Nachbarin. Heinz-Günter Hollein