Wohnen im Alter – aber wie?

Ein Fünftel der HamburgerInnen ist älter als 60 Jahre, Tendenz steigend. Altengerechte Wohnungen aber sind Mangelware  ■ Von Heike Haarhoff

Wie Schimmelflecken überziehen unzählige grüne Punkte das Hamburger Stadtgebiet. „Altenheime“erklärt die Behörde für Bauen und Wohnen in der nebenstehenden Legende zu ihrer Karte „Wohnen im Alter“. Die blauen Kleckser (Altenwohnanlagen) sind bereits weniger häufig; und die roten lassen sich an sechs Fingern abzählen: Wohnprojekte für Senioren, manche generationenübergreifend.

Zu der Landkarte mit dem spezifischen Wohnangebot – 140 Alten- und Pflegeheime mit derzeit 14.500 genutzten Betten sowie 2.500 Altenwohnungen für jeweils ein bis zwei Personen – gehören Zahlen. Zahlen über die Menschen, die hier einziehen sollen; manche wollen sogar, aber längst nicht alle können, weil sie so viele sind: 377.000 HamburgerInnen, 22 Prozent der Stadtbevölkerung, sind älter als 60 Jahre.

Fast die Hälfte von ihnen (46,4 Prozent), das ergab 1997 eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Stadt (Bürgerschaftsdrucksache 15/5841), lehnen „einen Heimeinzug kategorisch ab“. Aus gutem Grund: „Fast 60 Prozent leben bereits seit mehr als 21 Jahren in dem selben Stadtteil. Ein großer Wunsch vieler älterer Menschen ist es, so lange wie möglich in der vertrauten Umgebung leben zu bleiben.“Seufzen in den Behörden: Die vielen grünen Altenheim-Punkte – eine Fehlplanung?

„Altsein“, sagt die Vorsitzende des Landes-Seniorenbeirats (LSB), Thea Woost, „bedeutet heute nicht mehr automatisch, krank und gebrechlich zu sein“. Dennoch stünden alle älteren Menschen irgendwann vor der Frage, was aus ihnen werden soll, wenn der Körper einfach nicht mehr mitspielt. Und insbesondere dann, wenn und weil man die meiste Zeit zu Hause verbringt, bestimmt die Zufriedenheit mit der Wohnsituation maßgeblich das Gesamtbefinden.

Derweil beklagen viele Senioren die Qualität der ambulanten Pflegedienste, die ihnen das Bleiben in den eigenen vier Wänden eigentlich ermöglichen sollten. Das Angebot an betreuten Wohnungen – wo man im Notfall den Pfleger herbeiklingeln oder sich Essen aus der Kantine bringen lassen kann – reicht überdies bei weitem nicht, die Wartezeiten sind lang. Die meisten bezahlbaren Seniorenwohnungen sind zudem ausschließlich mit Wohnberechtigungsschein zu ergattern – was für die 30 Prozent der über 60jährigen, die mit weniger als 1.800 Mark im Monat auskommen müssen, durchaus sinnvoll ist. Den übrigen zwei Dritteln der Alten aber, die keineswegs allesamt vermögend sind, stehen nur Luxus-Wohnanlagen mit horrenden Mieten offen, die entweder ihre gesamte Rente verschlingen oder sie nachträglich zu Sozialhilfeempfängern machen.

Dabei, sagt Thea Woost, wäre es so einfach, die Situation zu entschärfen. Zunächst müsse die §-5-Schein-Bindung aufgehoben werden. Seit seiner Gründung im Jahr 1980 fordert der LSB zudem „barrierefreie Neubauten, die ein lebenslanges Wohnen garantieren würden“. Dazu müßten Fahrstühle auch für zwei- oder dreigeschossige Häuser Pflicht werden, dürfte es innerhalb der Wohnungen keine Schwellen geben, müßten in den Bädern Duschen mit Griffen und Klappsitzen statt Wannen stehen und vor allem die Zimmertüren breiter sein. So hätten die Bewohner in allen Lebensphasen freien Durchgang, egal ob im Zwillingskinderwagen oder im Rollstuhl. Woost: „Keiner kann mir erzählen, daß das teurer sein soll. In Dänemark ist vieles davon Sozialwohnungs-Standard.“

Das Alter ist weiblich. 75 Prozent der über 75jährigen sind Frauen, die meisten sind verwitwet und leben allein. So sehr diesen veränderten Lebensverhältnissen und Bedürfnissen Rechnung getragen werden muß, so sehr drängt die Zeit: Im Jahr 2030 wird der Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre Prognosen zufolge bereits bei 33 Prozent liegen.

Und dann ist da noch eine Bevölkerungsgruppe, die derzeit in den städtischen Planungen kaum bis gar nicht existiert: Der Anteil der AusländerInnen (14 Prozent der Hamburger Gesamtbevölkerung), die älter als 60 Jahre sind, wird von derzeit zwei auf sieben Prozent im Jahr 2000 steigen.