Kitsch im Silbersee

■ Thomas Hirschhorns großartige Installation im KünstlerHaus feiert die Unsterblichkeit des Guten

omantik kann grausam sein. Delphine, die aus blauen Bergseen hüpfen, weiße Rösser mit wallenden Mähnen auf dem Weg hinab in wild-verwegene Schluchten, Aliens mit großen traurigen Augen und Sonnenauf- und untergänge, so oft, daß die Netzhaut um Gnade fleht: Thomas Hirschhorns Arrangement von Drucken mit romantischen Motiven versetzt den Betrachtenden schon nach kurzer Zeit in den Zustand des Lebensverdrusses. Hinknien möchte man sich vor das riesige Diorama in der Galerie im KünstlerHaus und wen auch immer darum bitten, dafür zu sorgen daß das, was man da sieht, einfach nicht das ist, was man da sieht.

Aber beten hat bekanntlich noch nie was gebracht, und so bleibt nichts anderes, als hineinzusehen in den acht Meter breiten Schaukasten. Im Vordergrund türmen sich kleine und große, aktive und erloschene Aluminiumpapiervulkane, bilden den kühlen, silbrigen Kontrast zur grellbunten Märchenwelt der Seen, Schimmelherden und Außerirdischen. Jeder Vulkan speist ein Bild: 33 silbrige und rotgefärbte Aluminiumwürste schlängeln sich zu den Bildern, die, auf einer Kuhfleckenmustertapete hängend, ihre ausgelutschten Botschaften ins kalte All verströmen. Der Blick gleitet wieder über die Drucke. Alles wie gehabt: Seen, Palmen, Sonne, Mond und Sterne, Pferde ... Pferde? Tatsächlich, inmitten des Kitsches hängt eines der berühmten Pferdebilder von Franz Marc. Knapp daneben, ist das nicht ein Landschaftsbild von Caspar David Friedrich? Und zwischen all den Aliens, zerfließen da nicht Dalis Uhren? Die Grenzen zwischen guter und schlechter Kunst, sie verschwimmen. Sind diese Bilder nicht alle einfach nur bunt, irgendwie schön, weil passend zum Sofabezug? Erzählt nicht jedes von ihnen, auf seine abgeschmackte Weise, von der Sehnsucht nach Harmonie, Liebe und der Einheit mit dem Kosmos? Ist Kommerz also der Tod des Inhalts? Alles gleich und durch nichts mehr zu unterscheiden? Natürlich ist das so, und doch, so einfach macht es der Schweizer dem Betrachtenden nicht. „Ich mag das, wenn junge Menschen sich solche Bilder in ihre Zimmer hängen. Irgend etwas spricht sie ja an, diese Motive haben offensichtlich viel Energie.“Hirschhorn ist sichtlich fasziniert von der Resistenz des Wahren, Richtigen und Schönen, von der Kraft, die es selbst da entfaltet, wo inhaltsleere Metaphern sich seiner zu bemächtigen suchen.

„Niemals“, sagt er, „kann man z. B. solche Begriffe wie „Love“und „Peace“töten“. Offenbar nicht einmal dadurch, daß man sie auf billige und mit Schleifenmustern bedruckte Stoffahnen schreibt, die im Luftstrom eines Ventilators flattern und sich derart im Kunstwind über den Alu-Vulkanen behaupten gegen Ramsch, Love-Parade-Marschierern und Soap-Operas. Die Filme, die die beiden Fernsehgeräte, die inmitten des Silbersees schwimmen, ausstrahlen, sind ebenso sinnvoll und -los wie die 33 Kunstdrucke. Vor rotem Hintergrund kreist ein in Silberpapier gepackter Ellbogen, vor blauem Hintergrund vollführt ein ebenso präpariertes Knie die gleichen Bewegungen. Nichts weist über sie hinaus, sie konterkarieren jeden Sinnanspruch, sind aber auf ihre Weise ästhetisch. Nicht einmal die Flimmerkiste, das Orakel der Moderne, kann verhindern, daß sich die Schönheit behauptet im Kampf gegen ihre Feinde.

Thomas Hirschhorn ist, so scheint's, ein geradezu hoffnungsloser Romantiker. Wie schön. zott

Das Diorama von Thomas Hirschhorn ist bis zum 8.11. in der Galerie im KünstlerHaus zu sehen