Vom Leben mit Colt und Doughnuts

■ Schrecken aus der Hinterwelt: "Breakdown", Jonathan Mostows Debütfilm, spielt mit den Ängsten des zivilisierten Städters

Es scheint eigentlich unmöglich zu sein: in einen Verkehrsunfall auf den langen, schnurgeraden und vor allem einsamen Straßen im Mittleren Westen der USA zu geraten. Jeff Taylor (Kurt Russell) und seine Frau Amy (Kathleen Quinlan) können den Zusammenstoß mit einem anderen Auto zwar gerade noch vermeiden, doch dem Zuschauer von „Breakdown“, dem Debütfilm des amerikanischen Regisseurs Jonathan Mostow, dämmert doch sehr schnell, daß hier nicht alles mit rechten Dingen zugehen kann. Hier lauert Unheil.

Für Jeff und Amy jedoch ist alles noch im grünen Bereich: Sie sind mit ihrem Landrover auf dem Weg von Massachusetts nach San Diego, um dort ein neues Leben zu beginnen.

Die Brücken zu ihrer Vergangenheit haben sie abgebrochen, das Bankkonto ist leer. Geblieben sind ihnen nur ein paar Habseligkeiten und der flotte Landrover, der an der nächsten Tankstelle prompt den Neid des mutmaßlichen Fast-Unfall-Verursachers auf sich zieht. Auch eine Autopanne und ein freundlich und hilfsbereit wirkender Truckfahrer, der Amy mit zur nächsten Telefonzelle an einer Raststätte nimmt, bieten nicht unbedingt Grund zum Argwohn.

Als Jeff den Wagen nach einiger Zeit allein flottbekommt, fährt er zu der Raststätte, um Amy wieder einzuladen. Amy jedoch ist verschwunden. Und langsam beginnt dann der Horrortrip für den an Recht und Ordnung glaubenden Ostküstenmenschen, der diesen Glauben nach und nach über Bord werfen muß.

Geschickt und immer rasanter spielt „Breakdown“ mit der ganzen breiten Palette von Ängsten und Vorurteilen, die der zivilisierte Städter in bezug auf das amerikanische Hinterland mitbringt: Marlboro-Land, zwar idyllisch und weit, aber irgendwie auch ungeheuerlich mit seinen Naturgewalten, seiner Einsamkeit, seiner Freiheit und seinen rückständig-tumben Bewohnern.

Dort hält man eingeschweißte Doughnuts noch für die Krönung des guten Geschmacks. Dort kann man sich entscheiden, ob man 90.000 Dollar oder lieber 90.000 Doughnuts gewinnen möchte. Dort scheint – mehr noch als im vielzitierten „amerikanischen Großstadtdschungel“ – nichts anderes als das Faustrecht mit der Waffe zu gelten.

Jeff bekommt dann auch gleich von dem Raststättenbetreiber einen Colt unter die Nase gehalten, als er hartnäckig nach Amy fragt. Und auch der Dorfdepp, der gar nicht so deppert ist, wie seine depperten Landsleute glauben, paßt in dieses Bild. Er bringt Jeff auf die erste Spur der Leute, die seine Frau entführt haben.

Noch immer vertraut Jeff auf die Hilfe der Polizei, doch nachdem er seine letzten ihm aus aller Welt vertrauten Hilfsmittel – Auto und Handy – verloren hat und auch ein Bankangestellter (mit Foto der Tochter auf seinem Tisch) ihm mißtrauisch begegnet, beginnt er sein Schicksal und das von Amy selbst in die Hand zu nehmen: Jeff wird vom Opfer zum Helden, zum Mann, der rotsieht und lernt, daß Selbstjustiz das probateste Mittel ist, um sich in dieser Hinterwelt aus dem Schlamassel zu befreien.

Man kann „Breakdown“ mit Spielbergs „Duell“ vergleichen und Jeff mit Dr. Kimble in „Auf der Flucht“. Doch anders als in diesen Filmen ist der Schrecken in „Breakdown“ weder gesichtslos, noch zeigt er sich in Form einer großen, unheimlichen Verschwörung. Der Schrecken ist hier Alltag, auf die Spitze getrieben von einer kleinbürgerlichen Verbrecherbande, die ahnungslose Durchreisende ausnimmt und um die Ecke bringt, um sich zu ernähren und den eigenen Kindern das College zu finanzieren.

Selbst wenn Kämpfe, Schießereien und wilde, manchmal groteske Verfolgungsjagden „Breakdown“ schließlich zu einem schnörkellosen Neunziger-Actionfilm machen: Versehen ist er mit der Ideologie alter Western. Denn wie in diesen müssen Jeff und Amy sich Siedler-like den neuen Lebensbedingungen anpassen und sich ihr Land und die neue Welt ganz von allein erobern, mit allen Konsequenzen, die das hat.

Denkt man an die Paranoia, die man manchmal auf einer Landstraße von Goslar nach Helmstedt oder im Berliner Umland hat – Stichwort Skinheads –, dann mag man „Breakdown“ nicht so schnell in die Kategorie „gesehen, Spaß und Spannung gehabt, abgehakt“ einordnen. In diesem Fall mag man (un)gern auch einmal dem Werbeslogan des Filmverleihs zustimmen: „Es kann jedem von uns passieren.“ Gerrit Bartels

„Breakdown“. Regie und Drehbuch: Jonathan Mostow. Mit Kurt Russell, J. T. Walsh, Kathleen Quinlan u.a.