■ Ökolumne
: Rauchzeichen Von Thomas Worm

Noch bevor der Monsun die Rußwolken verkohlter Wälder als Giftregen auf Südostasiens gequälte Erde niederspülen wird, hat Malaysias Führung die erste Konsequenz aus dem frischen Großbrand im Bundesstaat Pahang gezogen. Ihre Art von Konsequenz. Industrieminister Lim Keng Yaik will künftig die Ausfuhr von Holz und anderen Waldrohstoffen stärker ankurbeln, um aus dem Verfall der Landeswährung Ringgit zusätzliche Exportgewinne herauszuschlagen. Dazu soll ein noch größerer Teil der zwei Millionen Gastarbeiter gegen die Urwaldriesen ausrücken und mit Palmöl, Kautschuk, Zinn und Baumstämmen bepackt zurückkehren. Währungspolitische Bauernschläue im Dienste des globalen Marktes.

Wie groß ist eigentlich der gesellschaftliche Weitblick bei Smogsichtweiten unter 15 Meter? Den malaysischen Aufbruch ins pazifische Zeitalter markiert nicht nur der achtundachtzigstöckige Doppelphallus der Twin Towers in Kuala Lumpur, höchster Prestigebau der Welt, sondern auch die Philosophie der „Asian values“ von Premier Mohamad Mahatir. Der muslimische Potentat ist davon überzeugt, die östliche Konsensgemeinschaft werde unter Obhut fürsorglicher Autokraten schließlich über die westlichen Konkurrenzgesellschaften triumphieren. Mag sein.

Doch jetzt das: Wachstumsdelle in Singapur, Börsencrash in Thailand, Flammenmeer in Indonesien. Der Himmel über den „Tigerstaaten“ verdunkelt sich. Das rasende Kalkül dieser pazifischen Länder, die zweistellige Wachstumraten zum Fetisch erhoben haben, geht so nicht mehr auf.

Wenn man den Qualm etwas beiseite wedelt, wird das verrußte Modell des asiatischen Patronagekapitalismus deutlich erkennbar. Eine fast allmächtige Staatsbürokratie lenkt und beschenkt die brutalen Marktdynamiker. Das beste Schmiermittel dabei heißt Korruption.

Beispiel: Präsident Suhartos gehätschelter Hofschranze, Holzunternehmer Mohamad „Bob“ Hasan, ist zu einem der reichsten Männer des Landes aufgestiegen. Zum Oberzündler Indonesiens – und zum obersten Herrn des Forstwesens. Gleichzeitig treibt die Regierung Millionen besitzloser Tagelöhner und Kleinpächter zur Brandrodung in unberührte Waldregionen.

Die hierzulande angebeteten Raubbauökonomien Südostasiens werden in erster Linie noch immer als erfolgreiche Hersteller von Elektronik, Textilien oder Edelhölzern wahrgenommen, nicht aber als Exportweltmeister des Lohn- und Sozialdumping. Dieser Preisvorteil und die scheinbar kostenlose Ressource Tropenwald ermöglichten den jungen „Tigern“ zunächst beneidenswerte Wettbewerbsvorteile. Nun aber laufen die „Tiger“ Amok, fackeln den Dschungel ab, zerstören die grüne Hülle ihrer Herkunft.

Wie im Brennglas läßt sich am auflodernden Industrialismus Südostasiens das immer fragilere Zusammenspiel von Wirtschaft und Natur studieren. Denn im Zeitraffertempo weniger Jahre macht die Region einen Prozeß durch, der in Europa viele Jahrhunderte in Anspruch genommen hat.

Nicht El Niño oder die extremste Dürre seit 50 Jahren sind für das Regenwaldinferno verantwortlich, sondern zusehends schneller eintretende Umkippeffekte. Weichen klimatische Parameter wie etwa die Luftfeuchtigkeit vorübergehend vom Normalwert ab, tritt unter dem enormen Wirtschaftsdruck armer Massen und reicher Konzerne sofort der Kollaps ein. Eine Pufferzone existiert nicht mehr.

Für 20 Millionen Menschen verfinstert sich dann im „kleinen atomaren Winter“ wochenlang die Sonne, Asthmatiker brechen tot auf der Straße zusammen, die Evakuierung ganzer Metropolen wie Kuala Lumpur wird erwogen.

Das Boomwunder zwischen Südchinesischem Meer und Indischem Ozean entpuppt sich als „Modell Asche“. Sobald die Wechselkurse fallen, geht für verbilligte Urwaldexporte eine riesige Region in Flammen auf. Dieses Modell kann nur heiligsprechen, wer von Gier zerfressen ist. Die Brasilianer jedenfalls haben von Asien gelernt – oder umgekehrt. Im Regenwald-Bundesstaat Mato Grosso sind inzwischen einzelne Feuerfronten 150 Kilometer lang. Rekorde, Rekorde!