„Europa ist vor allem ein politisches Gebilde“

■ Antonio Martino, einst Außenminister unter Berlusconi, ist gegen ein rein monetäres Europa

taz: Sind Sie noch immer so überzeugt, daß dieses Europa nicht funktionieren kann?

Antonio Martino: Ich kritisiere nicht die Vereinigung Europas. Aber ich sehe noch immer die Gefahr, daß da ein Europa aufgebaut wird, ohne daß die einzelnen Länder homogen sind. Die Folge wird eine wackelige einheitliche Währung sein.

Ich bin absolut für den Euro, aber nur, wenn er gleichzeitig in allen Ländern eingeführt werden kann und stabil ist. Heute stellt sich nur die Alternative, entweder wir lassen nur jene Länder zu, die die Maastricht-Kriterien erfüllen, und zwar ohne haushälterische Tricks, dann aber spalten wir Europa; oder wir nehmen auch die anderen auf, dann schädigen wir die europäische Wirtschaft durch Instabilität.

Sie betonen immer wieder, Italien sei längst in Europa, es brauche keine weitere Erlaubnisse dazu.

Unser Land ist Gründungsmitglied des vereinten Europas. Wir haben seit Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) alle Schritte mitgemacht. Ministerpräsident Romano Prodi hat immer so getan, als müßten wir dafür noch weitere Leistungen bringen. Im Grunde ging es ihm aber nur darum, alle seine Maßnahmen immer irgendwie damit zu begründen, daß wir sonst keinen Zutritt zu Europa bekämen. Das stopfe, so hoffte er, allen Kritikern den Mund.

Sie haben den Vorrang des Monetären schon kritisiert, als die eigentliche Maastricht-Debatte noch gar nicht begonnen hatte. Welche Alternativen sähen Sie denn?

Ich sehe Europa vor allem als politisches Gebilde, und Schritte dahin sind derzeit absolut nicht zu sehen. Sowohl in der Sicherheits- als auch in der Außenpolitik fehlteine gemeinsame Linie, ja, es gibt oft genug sogar Gegensätze.

Also das monetäre Europa erst nach der politischen Einigung?

Man könnte durchaus beides zusammen machen. Was aber auf jeden Fall vermieden werden muß, ist die jetzige Form, die auf ein schlechtes Ende hinausläuft.

Sie haben gute Chancen, unter einer etwaigen großen Koalition wieder Außenminister zu werden. Wie würden Sie vorgehen?

Am Euro wird wohl nicht mehr viel zu ändern sein, dafür ist es jetzt zu spät. Ansonsten aber stünde für mich die Gemeinsamkeit vieler politischer Aufgaben im Vordergrund. Fälle wie Albanien zum Beispiel, das im Grunde alleine den Italienern aufgebürdet wurde, müssen auf jeden Fall als gemeinsame Aufgabe aller EU-Länder begriffen werden, sonst taugt die Europäische Union überhaupt nichts. Interview: Werner Raith