Sinnsuche läuft

■ Lubricats „Beleidigt die Chinesen nicht“im Concordia

Sinnzusammenhänge zu finden, ist ein menschliches Urbedürfnis. Wer Befriedigung erwartete durch die jüngste Produktion der Gruppe „Lubricat“, könnte an den vergangenen Abenden im Concordia enttäuscht worden sein: Vier Personen, eine heruntergekommene Femme fatal, ein Jean-Paul-Gaultier-Typ im Chanelfummel, ein verklemmter Anzugmann und eine verhärmte Frau im chinesischen Seidenkleid (einziger Bezug zum Titel?), begegnen sich in Szenefetzen, ohne daß eine Handlungseinheit entsteht. Die Femme Fatal tritt mal als Madonna auf, mal versteckt sie sich in großen Ikeataschen. Der „Chanelfummelträger“löffelt sich seine Quarkmaske aus dem Gesicht oder schneidet Teebeutel auf. Der Anzugmann zeigt seine biedere Unterwäsche und wie gut man darin einen Kamm verwahren kann. Und die Frau im Seidenkleid bittet schließlich das Publikum um Hilfe für die Femme fatal. Wofür, bleibt unklar. Zufällig zusammengewürfelte Bilder der Verfremdung laufen parallel. Man bewegt sich und spricht eher gegen- als miteinander. Selten gibt es verbindende Elemente wie z.B. Klänge aus den Lautsprechern, wozu sich dann alle eincremen, einschmieren, einfetten. Lubricat zeigte ihre Produktion „Beleidigt die Chinesen nicht“innerhalb der Veranstaltungsreihe INPUT 97. Input dazu aus dem Programmheft: „Rußland: Ein leergeräumtes Mausoleum ... Verwüstete Menschen und Beziehungen ... widersprüchliche Realitäten existieren nebeneinander. Madonna meets Stalin.“Außer daß ein Partei-Manifest aus einem Jerry Cotton Heft vorgetragen wird, ist die Suche nach russischen Bezügen allerdings mühsam. Vielleicht befand sich sogar jener Zuschauer ohne Programm-Heft im Vorteil. Er hätte sich vielleicht ganz den willkürlichen Assoziationen von Absurdität und Isolation hingeben können, ohne auf konkrete inhaltliche Verweise zu warten.

In dem Moment, wo man das Warten aufgab, stellte sich Spannung ein. Überzeugend scheinen die Akteure in der Welt des Wahnsinns gefangen zu sein. Der Anzugmann nagelt Kartoffeln auf Zeitungsausschnitten fest. Zittrig hält er einen Ziegelstein über die am Boden liegende Seidenkleidträgerin: allesamt starke Bilder. Marcel Reich-Ranitzki hätte sicherlich resümiert: „Gelangweilt hab' ich mich immerhin nicht.“ Angela Siol