Flamenco furioso fantastico

■ Gitarrero Tomatito & Gruppe rissen das Publikum im Modernes zu Begeisterungsstürmen hin

Als 16jähriger wurde Tomatito von Camaron de la Isla, den KennerInnen zu den bedeutensten Flamenco-Sängern dieses Jahrhunderts zählen, entdeckt. Inzwischen gehört der in Almera geborene Gitarrist zu den herausragenden Vertretern der Flamenco-Gitarre und gilt neben Paco de Lucia als wichtigster Erneuerer des Flamenco. Warum, das wurde schon nach den ersten Tönen seines unbegleiteten Eingangssolos deutlich. Sein Gitarrenspiel besitzt ganz eigene rhythmische Akzentuierungen, er spielt mit Verzögerungen und Tondehnungen, die jenseits der tradierten Klischees liegen.

Im Unterschied zu de Lucia wirkt sein Spiel weniger konzertant, weniger am Ausdruck der spanischen Klassik ausgerichtet. Es bleibt dem volksmusikalischen Charakter näher, läßt bei aller furiosen Fingerfertigkeit die ursprüngliche Rauhheit und Melancholie des Flamenco immer durchscheinen. Von Anfang an strahlte sein Spiel ungeheure Dynamik und Intensität aus. Von der war auch das musikalische Wechselspiel mit seinen Begleitern El Piripi, zweite Gitarre, dem bekannten Sänger El Potito und dem Tänzer Joselito Fernandez geprägt. Letzterer entpuppte sich zudem als begabter Perkussionist auf der Cachon, einer präparierten Holzkiste mit loser Vorderseite.

Die vier Musiker verzauberten das Publikum im gutbesuchten Modernes mit intensiven Dialogen, bei denen die Freude am Zusammenspiel und ein ganz in die Musik vertieftes Aufeinanderachten augenscheinlich waren. Tomatito bevorzugte dunkle Klangfarben und ordnete seine Virtuosität einnehmend sachdienlich der Stimmung des jeweiligen Liedes unter. Er verlor sich nicht in rasant fingerflinken Gitarrenläufen, die gab's zwar auch, sie wechselten aber mit langsamen Linien, in denen die einzelnen Töne Raum zur Entfaltung bekamen. Überhaupt zeichneten sich der Gitarrenstar und seine Begleiter durch unprätentiöses Auftreten aus. Besonders Tänzer Joselito riß die BesucherInnen zu Begeisterungsstürmen hin.

Wie Tomatitos Gitarrenspiel wurzelt der Tanz des jungen, gertenschlanken Sevillaners in den Traditionen und erneuert sie zugleich. So ließ auch er sich Zeit für seine Figuren, flocht verzögerte Schritte ein, gestaltete und improvisierte ohne vordergründige Show-Effekte. Großartig und intensiv war auch der cante flamenco El Potitos. Ein furioser Auftritt, der die Lebendigkeit des Flamenco unterstrich. Zuvor hatte das Hamburger Trio Matam das alters- und szenemäßig gemischte Publikum mit seiner Brasil-Flamenco-Fusion eingestimmt. Kîzîl Kartal