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■ VorschlagFrauen in Frischhaltefolie: Tanzzeit im Theater am Halleschen Ufer

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Frauen in Frischhaltefolie: Tanzzeit im Theater am Halleschen Ufer

Die Sportartikelindustrie hat den Hometrainer und das Laufband erfunden: Ohne von der Stelle zu kommen, bis zur Erschöpfung laufen und strampeln. Da wird Bewegung um die Erfahrung des Raumes gebracht. Die Sinne sind nicht mehr auf das Außen, sondern nur noch auf die Kontrolle der eigenen Leistung eingestellt. Ein ähnliches Verkümmern der Sensibilität und Verschrumpeln in Ichbezogenheit schien die Basis des Doppelprogramms „extended version“ und „Homo Xerox“ im Theater am Halleschen Ufer zu sein. Mit einem Marathon auf der Stelle begann Thomas Lehmens „extended version“; im Techno-Rhythmus trudelten vier Tänzerinnen als „Homo Xerox“ über die Bühne. Ihre Kostüme aus über Hintern, Bauch und Busen aufgeblasenen Plastikfolien ließen sie aussehen wie in Frischhaltepackungen eingeschweißt. Sie trieben die Defizite des Alltags ins Extrem, statt ihnen etwas entgegenzusetzen.

Dabei ging es Thomas Lehmen eigentlich um die „Vermittlung eines essentiell menschlichen Zustandes“. Durch den Wechsel zwischen extremen Energiezuständen wollte er verschiedene Räume und Befindlichkeiten evozieren. Doch ob er in dem hellen Viereck der Tanzmatte wie ein Karatemeister sprang oder grotesk auf Knien und Fäusten rutschte, die Bilder blieben äußerlich. Mehr als einen Wirbel auf der Netzhaut schaffte auch die holländische Choreographin Be van Vark nicht. Das angekündigte Thema von menschlicher Konditionierung und Reproduktion von Verhaltensmustern blieb blaß in dem dreißigminütigen Dauerlauf, an dessen Ende man höchstens die Kondition der Tänzerinnen bewundert. Der akustische Aufwand der Musik, die Paul J. Hines und Daniel Dax gemischt hatten, degradierte sie zu einer Illustration am Rande.

Nach diesen Erstlingsarbeiten sollte es eigentlich besser werden mit dem Programm der Tanzzeit. Alex B, nach einem kometengleichen Start in Berlin von der Förderung fallengelassen, hat ihr Stück „Flesh and Blood“ mit der niederländischen Company von Randall Scott weiterentwickelt, die außerdem zwei weitere Tänze mitbringt (16.–20. Oktober). Dann setzt die Toladá Dance Company ein Work in Progress (24.–26. Oktober) fort, das bei einem ersten Einblick im September im Pfefferberg noch sehr verkuschelt und gruppendynamisch intim auf der Suche nach zarten Kontakten wirkte. Katrin Bettina Müller

„Homo Xerox“, „extended version“, Theater am Halleschen Ufer, bis 14. Oktober, 21 Uhr

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