Der Popstar des Judosports

Der Franzose David Douillet ist der alte und neue Weltmeister im Schwergewicht, gilt auf der Matte als unschlagbar und begeistert bei der WM sogar die Teenager  ■ Aus Paris Oliver Kauer

Zur offiziellen Pressekonferenz der französischen Judokas war er nicht gekommen. David Douillet (28), der erneute Weltmeister, der Fernsehstar, der Liebling der französischen Fans, hielt im Palais Omnisport zu Paris eine Privataudienz. Zum vierten Male war Schwergewichtler Douillet soeben bei einer Weltmeisterschaft auf den Thron gestiegen. „David est phenomenal“, titelte die große französische Sportzeitung L'Equipe am darauffolgenden Morgen über den Mann mit dem netten Babyface und dem judoüblich gefährlich aussehenden Bürstenschnitt. Die Seite eins bestand dabei im wesentlichen aus einem Foto des Judoka, der wie ein braunhaariger Dolph Lundgren in Sanft daherkommt.

Allein der sportliche Erfolg und das Aussehen würden das Phänomen Douillet, der auch bei den Olympischen Spielen in Atlanta Gold gewann, nur unzureichend erklären. Seine Popularität ist ein Produkt glücklicher und unglücklicher Umstände. Douillet befriedigt alle Interessen. Er kokettiert mit den Journalisten, ist immer freundlich, offen für alle Fragen. Er wirft Kußhändchen ins Publikum und hat meistens ein Lächeln auf den Lippen – das kommt bei den Fans an. Seinen Heldenstatus machte er jedoch endgültig perfekt, als er sich von einem schweren Motorradunfall im vergangenen Jahr erholte und nach etlichen Operationen an den Beinen wieder erfolgreich auf die Matte zurückkehrte.

Der Kampf gegen die Invalidität, seine auf 1,96 Meter verteilten 130 Kilo hilflos darniederliegen zu sehen, hat ihn verändert: „An einem Tag bist du Olympiasieger, und alles fliegt dir zu. Und dann liegst du im Krankenhausbett und bist nichts mehr.“ Eine Erkenntnis, aus der Douillet persönliche Konsequenzen gezogen hat: „Ich bin nicht mehr auf Rekorde aus, Glamour und Publicity sind mir nicht mehr wichtig. Nach meiner Verletzung wollte ich einzig wieder ein Athlet sein, das war meine einzige Herausforderung.“

Der einfache Athlet, der er jetzt gerne sein möchte, ist Douillet aber in Frankreich nicht. Mehr als bei allen anderen gerieten die Zuschauer in Rage, wenn er auf die Matte ging. Und während der Siegerehrung kam man sich ob der ihn lauthals anhimmelnden jungen Mädchen vor wie auf einem Konzert der Backstreet Boys. David Douillet, der Popstar des Judo. Er sieht das nicht so: „Ich bin nur ein einfacher Kämpfer. Ein Stern scheint am Himmel, ich stehe immer noch auf dem Boden. Sterne kann man nicht berühren, mich schon.“ Der Ernst des Lebens hat Douillet bescheiden werden lassen. Lobend spricht er über seine Gegner: Der Chinese Pan Song hätte im Halbfinale alle Möglichkeiten gehabt, ihn zu besiegen. Und im Finale sei der Japaner Shinichi Shinohara von den Kampfrichtern viel zu früh wegen passiven Kampfstils disqualifiziert worden.

Obgleich Douillet glaubt, physisch noch nicht wieder der Alte zu sein, ist er der athletischste und schnellste aller Schwergewichtler. „Er ist immer noch unschlagbar“, stellt Europameister Dennis van der Geest aus Holland heraus. „Wenn man sich später an diese WM erinnern wird, wird man von Douillet sprechen. Er ist hier endgültig zur Judo-Legende geworden“, erklärt René Rambier, der französische Nationaltrainer.

Douillet will erst mal weitermachen, ob bis zu den Olympischen Spielen 2000 in Sydney, das weiß er nicht. Seine nachsportliche Karriere hat der Vater von zwei Kindern jedenfalls vorbereitet. Douillet vertreibt Fitneßgeräte und macht auch als Schauspieler eine gute Figur. Einen Kinofilm hat er bereits gedreht, und in einer TV- Serie spielte er einen Polizisten. Die nächste Rolle ist bereits gebucht: David Douillet als Feuerwehrmann.