Die Qualmwolke über Frankfurt war doch giftig

■ Die Clariant, die zu 45 Prozent der Hoechst AG gehört, hat die Bevölkerung angelogen

Frankfurt/Main (taz) – Rosemarie Oswald, umweltpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Frankfurter Römer, sagte am Wochenende, sie sei „geschockt“. Auslöser dieser Emotion war der Umgang der Clariant GmbH mit einem Unfall am vergangenen Donnerstag. Die Firma gehört zu 45 Prozent der Hoechst AG. Im Gegensatz zu ersten Erklärungen des Unternehmens wurden bei dem Brand in einer Filteranalge offenbar doch toxische Äquivalente (TA) von Dioxin und polychlorierten Biphenylen (PCB) freigesetzt. Das jedenfalls ergaben Messungen des unabhängigen Institutes Fresenius und der zur Hoechst AG zählenden Laborfirma Central Research and Technology vom Sonnabend.

Die Firma hatte am Unfalltag lediglich erklärt, eine leere Anlage aus Polypropylen sei bei Schweißarbeiten in Brand geraten. „Das Vertrauen in das Versprechen des Vorstandsvorsitzenden von Hoechst, Jürgen Dormann, eine stadtgängige und für die Bevölkerung sichere Chemie zu gewährleisten, ist erschüttert“, so Oswald.

Wie das hessische Umweltministerium mitteilte, seien die von Fresenius auf dem Werksgelände ermittelten Werte für Dioxin (1,37 Nanogramm) und PCB (4,8 Mikrogramm) „gesundheitlich unbedenklich“. Auf einem Stromverteilerkasten in Höchst wurden nach der Analyse einer „Wischprobe“ nur noch 0,33 Nanogramm Dioxin und 0,2 Mikrogramm PCB gefunden.

Die bündnisgrüne Umwelt- und Gesundheitsministerin Margarete Nimsch gab gestern dennoch keine Entwarnung. Noch seien die Untersuchungen der Proben auf andere Schadstoffe nicht abgeschlosseen. Vor einer endgültigen Entscheidung sollten noch die Analysen von Chlorbenzidinen, polyaromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und bestimmten aromatischen Strickstoffverbindungen abgewartet werden, sagte Nimsch.

Unabhängig davon äußerten die Bündnisgrünen in Frankfurt und Greenpeace geharnischte Kritik an der Informationspolitik der Clariant GmbH. Denn erst am Freitag gab die Firma bekannt, daß neben dem angeblich harmlosen Polypropylen aus den Trocknerplatten der Filteranlage auch 1,8 Tonnen chlorhaltige AZO-Farbstoffe verbrannt seien. So vergingen 24 Stunden, ehe das Umweltministerium gezielt Messungen auf Dioxine und PCB veranlassen konnte. Rosemarie Oswald: „Wieder waren die Betreiber der Anlage nicht in der Lage, eindeutige Angaben über die verbrannten Chemikalien zu machen. Und wieder wurde so getan, als würde es keinen Grund zur Beunruhigung geben.“

Greenpeace warf Clariant vor, ein am Freitag auf einer Bürgerversammlung in Höchst gegebenes Versprechen schon am Sonnabend gebrochen zu haben. Entgegen der Zusage von Clariant-Geschäftsführer Handter, wonach den Experten von Greenpeace freien Zugang zum Störfallort gewährt würde, stand Greenpeace mit seinem Meß- und Probeentnahmefahrzeug vor verschlossen Türen. „Hoechst stellte danach in einem Gespräch Bedingungen, die uns eine unabhängige Untersuchung und qualifizierte Beurteilung des Unfalls vollkommen unmöglich gemacht hätten“, sagte der Chemieexperte der Umweltorganisation, Manfred Krautter.

Das Fazit von Greenpeace: „Clariant hat die Bevölkerung bewußt getäuscht. Von Offenheit und Dialogbereitschaft kann keine Rede mehr sein.“ Klaus-Peter Klingelschmitt