Brav, Genosse Schröder!

■ Routinierter Wahlparteitag in Niedersachsen wählt Spitzenkandidaten

Hannover (taz) – Auf einem Wahlparteitag in Hannover hat Ministerpräsident Gerhard Schröder am Samstag seinen SPD-Landesverband dazu aufgerufen, bei den Niedersachsenwahlen im März „die Regierungsmacht und die absolute Mehrheit erneut zu erringen“. In den Mittelpunkt seiner knapp einstündigen Parteitagsrede, deren Lautstärke die ausgesprochenen Leerformeln und Allgemeinplätze noch betonte, stellte der SPD-Landesvorsitzende allerdings die Bundespolitik. Der Bonner Koalition warf Schröder „Dilettantismus und Nachlässigkeit in vielen Fragen“ vor. Der SPD- Kanzlerkandidaten-Aspirant verlangte „einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Kirchen, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Parteien“, dessen Elemente „Innovation in Schlüsselbereichen der Wirtschaft“, „aktive Finanzierung von Arbeit statt Finanzierung von Arbeitslosigkeit“ und „Schutz der Menschen vor Kriminalität“ sein sollten.

Im kurzen landespolitischen Abschnitt seiner Parteitagsrede hob Schröder die überdurchschnittlichen und Wachstumsraten und Arbeitsplatzzuwächse hervor, die Niedersachsen seit 1990 erzielt habe. Dabei bezog er die Zeit der niedersächsischen rot-grünen Koalition von 1990 bis 1994 immer mit ein. Der Parteitag quittierte Schröders Rede mit pflichtgemäß langanhaltendem Beifall. Bei der Aufstellung der SPD-Landesliste, an der sich nur 165 der ursprünglich 190 Delegierten beteiligten wurde Schröder mit 156 Ja- und neun Neinstimmen auf Platz eins gewählt.

Beim einzigen Streitpunkt „Ausbildungsplatzabgabe“ vermied der Parteitag durch Änderung des Programmentwurfs die Konfrontation mit dem Ministerpräsidenten. Den von Schröder abgelehnten finanziellen Ausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben sieht das Landtagswahlprogramm nunmehr „erst für den Fall“ vor, „daß die Wirtschaft zukünftigen Herausforderungen nicht gerecht wird“.

In den Augen der Juso-Vorsitzenden Andrea Nahles gefährdet Schröder mit der Ablehnung einer Ausbildungsplatzabgabe die Glaubwürdigkeit der SPD. Auf dem Juso-Zukunftskongreß „Arbeit und Reichtum umverteilen“, kritisierte Nahles den Widerstand von Schröder und von Wolfgang Clement gegen die Abgabe als „äußert unproduktiv“. Nahles setzte sich außerdem für die 32-Stunden-Woche mit Lohnausgleich ein. Arbeitszeitverkürzungen mit gleichzeitiger Einstellungsgarantie solle der Staat mit 100 Milliarden Mark fördern. Jürgen Voges