Der Alptraum schlechthin

■ Zweieinhalb Jahre Haft für 23jährigen, der eine junge Frau in der S-Bahn gezwungen hatte, ihn sexuell zu befriedigen

In der ersten Instanz hatte der 23jährige Arbeiter vor Gericht behauptet, er sei auf einer Hochzeitsfeier gewesen, als die junge Frau nachts in der S-Bahn überfallen wurde. Vehement bestritt er, sie je gesehen zu haben. Gestern gab er im zweiten Anlauf zu, sich an ihr vergangen zu haben. Das Hamburger Landgericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren, in die auch eine offene Bewährungsstrafe einfloß.

Aufgrund des Geständnisses brauchte die 26jährige Floristin ihr Martyrium gestern nicht noch einmal zu durchleben. Eine Aussage blieb ihr erspart. Sie war 1995 in einer Septembernacht allein auf dem Weg von Altona nach Hasselbrook, als sich zwei Männer zu ihr ins S-Bahnabteil setzten. Der Angeklagte schnitt ihr mit dem Messer zwei Knöpfe ihrer Jacke ab. Am Berliner Tor zwangen die Täter sie, sich auszuziehen. Stillschweigend, so die Anklage, seien die Männer im ansonsten leeren Waggon übereingekommen, die Frau zu erniedrigen und zu „mißbrauchen“. Als in Barmbek ein Fahrgast zustieg, flüchteten die beiden, nachdem der Angeklagte die Frau gezwungen hatte, ihn mit der Hand zu befriedigen. Der Fahrgast half der verstörten Frau aus der S-Bahn und setzte sie in einen Zug nach Hause. Der mehrfach vorbestrafte Angeklagte konnte später festgenommen werden, sein Komplize ist flüchtig.

„Für die Geschädigte muß es der Alptraum schlechthin gewesen sein, zum schutzlosen Objekt der Lust und der Gier der Männer zu werden“, so der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Ein Mitarbeiter der Organisation Weißer Ring, die sich der Floristin angenommen hat, berichtete, sie beginne bei dem bloßen Gedanken an den Täter „und seine stechenden Augen“zu zittern und sei auf psychologische Unterstützung angewiesen. Insbesondere seit sie den flüchtigen Mittäter auf einem S-Bahnhof wiedergetroffen und der ihr mit einer Drohgebärde ihr Kleid aufgeschlitzt habe.

Auf die Frage des Staatsanwaltes, ob er sich je bei dem Opfer entschuldigt habe, und sei es per Brief aus der U-Haft, antwortete der Angeklagte: „Darauf muß man erstmal kommen.“ Lisa Schönemann