Jordan weint nur einmal, Frauen weinen ständig

■ Wie die Direktorinnen der US-Profiliga WNBA ihre Basketballerinnen verkaufen

Bonn (taz) – Die Warnung war als Bitte formuliert, „mindestens eine Stunde vor Spielbeginn in der Halle zu erscheinen“, andernfalls könne „keine Garantie für optimale Arbeitsbedingungen“ übernommen werden. Nicht nur der Deutsche Basketball-Bund (DBB) hatte den Andrang überschätzt, den der Auftritt der besten Spielerinnen aus der US-Frauen-Profiliga WNBA in Bonn auslösen würde. 2.000 Zuschauer kamen, jeder von ihnen hätte sich auf zwei Sitzplätzen ausbreiten können.

Träume werden eben nur in Amerika wahr. Die Gründer der WNBA haben wieder mal gezeigt, mit welchen Zutaten sie produziert werden. Angeblich hat die jüngst beendete erste Saison der Frauen- Profiliga sogar die eigenen Erwartungen der in der Mehrzahl weiblichen DirektorInnen um WNBA- Chefin Valerie Ackerman übertroffen. Im Durchschnitt kamen fast 10.000 Zuschauer zu jedem Spiel. Auf Anhieb waren drei Fernsehsender mit je einem Spiel pro Woche live auf Ballhöhe: Gigant NBO, Sportsender ESPN und Frauenkanal Lifetime, allesamt zufrieden mit insgesamt 50 Millionen Zuschauern, der größte Teil von ihnen aus der anvisierten weiblichen Zielgruppe.

15 der zahlungskräftigsten Sponsoren des Landes waren auf Vermittlung der Männer-Profiliga NBA von Anfang an eine große Hilfe, von Coca-Cola über American Express bis hin zu Budweiser. Frauensport wurde als neuer Markt entdeckt und wird jetzt nach allen Regeln der Kunst bedient.

Der offizielle Ballproduzent der WNBA hat ein spezielles Spielobjekt kreiert, orangeweiß und etwas kleiner als die Version für Männer. Auch eine eigene Klamottenkollektion entstand. Die Farbgebung der acht Klub-Embleme erinnert nicht von ungefähr an den jeweils ortsansässigen Männer-Profiverein. Die WNBA ist gemeinsamer Besitz der 29 NBA-Teams, ist also ein Tochterunternehmen an der kurzen Leine.

Schon 1992 hatte NBA-Boß David Stern den Auftrag zur Expansion seines Basketball-Unternehmens in Richtung Frauensport erteilt. Die Zeit war im Juni dieses Jahres mit dem Start der WNBA reif, den letzten Anschub hatte der Olympiasieg der US-Basketballerinnen in Atlanta geleistet. Noch bevor sie mit Gold dekoriert waren, zierten die Spielerinnen statt der Männer des Dream Teams III das Titelblatt von Sports Illustrated. Eine stramme Leistung der PR-Strategen.

Von Anfang an sah sich die WNBA als weltweites Produkt. Die derzeitige Tour durch Europa, in deren Rahmen auch in Bonn beim 100:63-Sieg gegen das deutsche Nationalteam ein Beweis der US-Dominanz erbracht wurde, ist unter Marketing-Gesichtspunkten zu sehen. Für die erste Saison, die von Juni bis August das Sommerloch der NBA füllte, wurden Spielerinnen aus aller Welt unter Vertrag genommen.

Auch Marlies Askamp vom BTV Wuppertal bekam bei Phoenix Mercury eine Chance. Noch bewegten sich die Gehälter bei maximal rund 85.000 Mark. Zunächst wurde vor allem in die Vermarktung investiert: 15 Millionen Dollar für die Auftaktsaison. Der Konkurrenzliga ABL wurde die ganze Aufmerksamkeit genommen und gleichzeitig die besten Spielerinnen. Zuletzt folgte Nikki McCray, bislang in der ABL aktiv, dem Ruf in die WNBA. Nebenbei unterschrieb sie vergangene Woche einen Vierjahresvertrag mit einem Sportartikelhersteller, der sie um eine Million Dollar reicher macht. Der Laden hat also zu laufen begonnen.

Besonders stolz sind die WNBA-Managerinnen darauf, wieder Emotionen in den US-Profi-Basketball zurückgebracht zu haben, die in der NBA über Bord gegangen sind. Man habe zum Beispiel nur einmal im Leben die Chance, erzählt Teri Schindler, Fernsehdirektorin der Liga, Michael Jordan weinen zu sehen. In der Frauenliga jedoch weine ständig jemand. Es gehe viel emotionaler zu als bei den Männern. Eine blitzsaubere Philosophie von weiblichem Profisport, bei der kein Auge trocken bleibt. Ulrich Loke