■ Vorschlag
: Die Streicher kratzen: Zwei Abende Musik mit dem Kronos Quartett

Das Klassische ausreizen: Kronos Quartett Foto: Nitin Vadukul

Der Begriff „Crossover“ in der Musik läßt meist an durch Synthesizer-Plumpesse aufgebretzelte E-Musik denken – oder aber an ein Produkt der Unterhaltungsbranche, das mittels Carmina-Burana- Klängen und zirpenden Geigen so schön kuschel-klassisch veredelt wird. Das Kronos Quartett kratzt in weniger gefälligen Gefilden und zeigt, daß es auch anders geht. Crossover bedeutet hier nicht etwa Vertuschung von Qualitätsmängeln, sondern vielmehr gerade das Ausreizen der Möglichkeiten eines „klassischen“ Streichquartetts.

Nicht nur Klangfarben, Phrasierungen etc. gehören hier zur Interpretation, sondern vor allem auch die zielgerichtete Auswahl von Stücken, die sich nicht immer in eine bestimmte Schublade stecken lassen. Zwangsläufig muß eigens für diese Formation komponiert oder arrangiert werden. Komponisten von Asien bis Afrika gehören dabei genauso zum Repertoire wie Jazz oder die Minimalisten. Während der heutige Abend zeitgenössischen Kompositionen gewidmet ist, heißt das morgige Motto „Early Music“: ein etwas irreführender Titel, da zwar arrangierte Stücke von mittelalterlichen Komponisten gespielt werden, ebenso aber auch John Cage und Alfred Schnittke.

Mit dazu eingeladenen Solisten, die Instrumente wie Nyckelharfe oder Tastenvioline mitbringen, mit Licht- und Klangeffekten, soll über den konventionellen Tellerrand gehört werden. In der Synergie liegt eben der Effekt, was die hartgesottene Kronos-Quartett-Gemeinde auch primär honoriert. Es dürfte allerdings morgen einer Gratwanderung gleichkommen, das Profil eines Guillaume de Machaut oder Perotin im markanten Kronos-Gewand noch durchscheinen lassen. Annette Lamberty

15.10., 19.30 Uhr, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Tiergarten, mit Werken von Adams, Chin, Gorecki und Reich

16.10., 20 Uhr, Kirche zum Heiligen Kreuz (Blücherplatz), Kreuzberg, Early Music (Musik aus 1200 Jahren)