35-Stunden-Lösung für Italiens Regierungskrise

■ Nach Zusage von Arbeitszeitverkürzung an Neokommunisten darf Prodi im Amt bleiben

Rom (taz) – Verhalten strahlend ist Italiens zurückgetretener Ministerpräsident Romano Prodi gestern vor die Mikrofone getreten, um zu verkünden, was sowieso schon alle wußten: Die Regierungskrise, ausgelöst durch den Vertrauensentzug der Neokommunisten in Sachen Haushaltsfinanzierungsgesetz, wird rückwirkend abgeblasen, Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro, der Prodis Demission nur „mit Vorbehalt“ angenommen hatte, schickt den Premier ins Parlament zur Vertrauensabstimmung, und die wird dieser gewinnen, da die Neokommunisten nun wieder in der Regierungsallianz mitmachen.

Möglich geworden war dies durch ein Entgegenkommen Prodis: Sein Kabinett wird innerhalb eines Jahres ein Gesetz vorlegen, das die Einführung der 35-Stunden-Woche für alle Arbeiter, Angestellten und Beamten ab dem Jahre 2001 vorsieht, ähnlich wie in Frankreich.

Die Maßnahme kostet die Regierung zunächst nichts. Dafür aber hat sie die Zustimmung zu dem Haushaltsgesetz erhalten, das die Neokommunisten vorher abgelehnt hatten. Damit sind die Gesichter beider Seiten gewahrt. Nur wenigen Bürgern hatte eingeleuchtet, warum man eine Regierung in die Wüste schickt, in deren nur 16monatiger Amtszeit die Inflation auf 1,4 Prozent gedrückt, das Haushaltsdefizit spürbar gesenkt und die Maastricht-Kriterien weitgehend erfüllt wurden.

Dennoch sind die Probleme nach der neuen, zunächst für ein Jahr abgeschlossenen Regierungsvereinbarung noch keineswegs ausgestanden: Nicht nur wettern die Arbeitgeberverbände heftig gegen die beabsichtigte 35-Stunden-Woche; auch die rechte Opposition, die bei all dem Wirbel um die Krise und deren Lösung nahezu an den Rand gedrängt worden war, fragt sich, ob sie nicht jetzt die mit großem Pomp verabschiedeten Vorschläge der Kommission zur Reform der Verfassung aufkündigen soll.

Bei dieser hatten sich Regierungsparteien und Opposition auf einschneidende Verfassungsänderungen geeinigt, darunter die Einführung des Präsidialsystems mehr oder minder nach französischem Vorbild. Darin erhielte der Staatspräsident weitgehende Exekutivvollmachten, der Ministerpräsident wäre mehr von ihm als vom Parlament abhängig. Zudem sollen die Volksvertreter stark der Exekutive unterworfen werden: Entzieht das Parlament dem Regierungschef das Vertrauen, soll das Parlament automatisch aufgelöst werden, außer wenn 80 Prozent der Volksvertreter dagegen sind.

Die Neokommunisten hatten diese Reformvorhaben von vornherein heftig bekämpft, und die aktuelle Regierungskrise wurde von vielen Kommentatoren als Versuch gedeutet, durch eine Auflösung des Parlaments den Reformmechanismus zu unterbrechen. Da aber auch in den anderen Regierungsparteien Unmut über die Ergebnisse der Kommission herrscht und vor allem die kleineren Parteien fürchten, in dem sich abzeichnenden Zweiparteiensystem zerrieben zu werden, könnte Bertinotti für sein Einlenken beim Haushaltsgesetz durchaus einige augenzwinkernde Zugeständnisse in Sachen Verfassungsreform erhalten. Mit dem Ergebnis, daß Prodi von nun an erneut ganz in den Händen der selbstbewußten sozusagen regierungsinternen Opposition der Neokommunisten gelandet wäre. Werner Raith

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