Die letzte Runde im Dauerstreit um Nukem

■ Die Hanauer Atomfabrik soll demnächst abgerissen werden. Beim Erörterungstermin streiten sich Betreiber und Kritiker heftig über die Modalitäten und über den Umgang mit den Altlasten

Hanau (taz) – In der Kulturhalle von Hanau-Steinheim hat gestern der öffentliche Erörterungstermin zum geplanten Abriß der Mutter aller Atomanlagen begonnen: von Nukem-alt. Leergefahren sind die insgesamt drei Gebäudekomplexe bereits, die Maschinen inzwischen an die Cogéma in Frankreich verkauft.

Wenn demnächst mit dem Abriß der Brennelementefabrik von Siemens begonnen wird, ist der Weg frei für den atomfreien „Industriepark Hanau“. Bereits morgen wird der Grundstein dafür von Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) gelegt.

Doch es wird noch etwa ein Jahr dauern, bis die drei Gebäudekomplexe, in denen Nukem von 1964 bis Ende der achtziger Jahre residierte, tatsächlich abgerissen sind und der dekontaminierte Schutt und das verseuchte Erdreich sachgerecht entsorgt werden können. Nicht um das Ob wurde gestern in Steinheim beim Erörterungstermin zwischen der neuen Nukem Hanau GmbH, einer Tochter von RWE, und den zahlreich erschienenen EinwenderInnen gestritten, sondern nur noch um das Wie des Abrisses.

Die Vorstellungen zur Vorgehensweise in den Antragsunterlagen von Nukem decken sich nur marginal mit denen der AtomkraftgegnerInnen und der Experten aus dem Öko-Institut, die für das Land Hessen als Gutachter fungierten. Das von Nukem nach rund 130 Bodensondierungen vorgelegte Kontaminationskataster erfasse nur die Bodenverseuchung innerhalb des Werksgeländes, monierte etwa Elmar Diez von der Initiative Umweltschutz Hanau (IUH). Dabei habe Nukem schon in den achtziger Jahren verseuchte Erde in der Umgebung der Brennelementefabriken abtragen und auf eine Deponie in Ellweiler bringen müssen.

„Auch jenseits der Zäune muß die verseuchte Erde abgetragen und entsorgt werden“, forderte Diez nun bei der Erörterung. Und Nukem müsse vor der Erteilung einer Abrißgenehmigung auch für die radioaktiven Stoffe, die im Verlauf der beiden Jahrzehnte in den Rohrleitungen oder Abwassersystemen hängengeblieben sind, eine umfassende Mengenbilanz vorlegen.

Eduard Bernhard vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) zweifelte „nach all den Skandalen um Nukem und Transnuclear“ an der Zuverlässigkeit der Gesellschaft, wie sie vom Atomgesetz für das Betreiben einer atomaren Anlage gefordert wird. Diese Zweifel seien weiterhin berechtigt, betonte Bernhard, auch wenn sich die Firma heute Nukem Hanau GmbH nenne und RWE zugesichert habe, für alle im Zusammenhang mit dem Abriß von Nukem-alt entstehenden Kosten geradezustehen. Die belaufen sich auf einen dreistelligen Millionenbetrag.

Erst im Vorfeld des Erörterungstermins und auf Druck der Öffentlichkeit habe Nukem zugegeben, daß in einem der Gebäudekomplexe auch noch 5.000 Fässer mit insgesamt 3,4 Tonnen Uran und 9 Tonnen Thorium lagerten. Die EinwenderInnen wollen jetzt zunächst einmal wissen, woher diese Fässer stammen, wie dicht sie sind – und wohin sie bei einem Abriß der Gebäude gebracht werden sollen. Die Anhörung wird heute ab neun Uhr in Hanau-Steinheim fortgesetzt. Klaus-Peter Klingelschmitt