Ehepaar Kohl soll nackte Hintern identifizieren

■ Stockendes Verfahren in Österreich wegen Nacktaktion vor dem Feriendomizil des Bundeskanzlers

Salzburg (taz) – Ob er denn „mit die Herrschaften g'redt“ habe, fragt Richter Peter Nußbaumer den Kontrollinspektor Friedrich Reiff. Hat er, sagt der, „aber erst hinterher“. Vorher, erinnerte er sich gestern im Zeugenstand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Salzburg, habe Hannelore Kohl per Handy angerufen und gar nicht herrschaftlich eine „unzumutbare Sauerei“ in der Brunnwinkelbucht gemeldet.

Die liegt bekanntlich vor dem Feriendomizil des Kanzlers in St. Gilgen am Wolfgangsee. Auch andere Anrainer, allesamt Doktoren und Eigentümer der benachbarten Privatgrundstücke, hatten sich am 2. August 1995 gegen 17 Uhr bei Reiff beschwert und sich dabei „sehr aufgeregt“. Sie hätten gemeldet, da „springen teilweise Nackerte in den Booten herum und schreien immer Helmut, Helmut“! Außerdem soll da ein Transparent gewesen sein, auf dem „Freiheit für alle“ stand. Das habe aber, so einer der beiden Untergebenen von Reiff im Zeugenstand, im Wasser geschwommen. Ein anderes, auf dem „Helmut in die Produktion“ gestanden haben soll, ist bisher nicht wieder aufgetaucht. Der „Herr Bundeskanzler“ selbst habe dem Vorfall „keinerlei Bedeutung zugemessen“. Neun der rund 20 Beschuldigten waren gestern aus allen Teilen der Bundesrepublik Deutschland angereist, um ihrer Verhandlung zu folgen. Zuvor hatten sie Berufung gegen eine Ordnungsstrafe von rund 4.000 Schilling eingelegt, die pauschal gegen die gesamte Gruppe erhoben worden war. Doch der prozessuale Schwung geriet schon bald ins Stocken. Am Mittag unterbrach Richter Nußbaumer das Berufungsverfahren, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die drei Polizisten selbst nichts von dem Vorfall gesehen hatten. Der Bußgeldbescheid hatte festgestellt, die Mitglieder der Gruppe hätten den „öffentlichen Anstand verletzt“, „indem sie ihr nacktes Gesäß in Richtung der Unterkunft des Herrn Dr. Kohl zeigten“. Richter Nußbaum verkündete gestern nun, es seien weitere Zeugen zu laden, „um den Sachverhalt zu klären“. Die „Familie Kohl“ könne dazu laut Rechtshilfeabkommen aber nur in Amtshilfe gehört werden, wenn sich das Gericht demnächst zur Wahrheitsfindung für deren Ladung entscheide und sie nicht freiwillig nach Östereich kommen wolle. Weitere Vernehmungen seien notwendig, weil es auch nach österreichischen Recht des Einzelnachweises der Schuld bedürfe.

Die Beamten, die die Personalien feststellten, hatten damals weder die Insassen der einzelnen Boote getrennt erfaßt noch Nackte, sich gerade Anziehende und bei ihrem Eintreffen Bekleidete auseinandersortiert. Auch darüber, wie viele Boote überhaupt auf dem See in der Nähe des Kanzlerdomizils schipperten und welche Personen denn nun an dem „Ereignis“ beteiligt waren, herrschte Unklarheit. Einzelne, die die „Hose gelüftet“ oder gar „den Hintern entblößt“ hatten, konnten die Beamten gestern jedenfalls nicht wiedererkennen. Kontrollinspektor Reiff gab seinem persönlichen Eindruck über den damals arretierten „Haufen“ Ausdruck: „Den Anstand verletzt haben's fei alle!“ Und schweifte ganz zum Ende „außerhalb des Protokolls“ ins Nachdenkliche ab: „Warum haben's des überhaupt g'mocht?“ Vor ihm hatte auch schon sein Kollege Z. die Frage nach „dem tieferen Sinn“ der Aktion gestellt. Vielleicht sei die Tat ja, kalauerte dann ein Polizist in der Pause, „politisch“ gemeint gewesen. Z. jedenfalls war alarmiert worden, weil „da a Tumult auf dem Wasser“ gemeldet worden war. Der habe sich, ergänzte der ebenfalls ausgelaufene Gruppeninspektor St., „in der Bucht des Dr. Kohl“ abgespielt. Er sei davon ausgegangen, daß „die Rädelsführer“ alle in einem Boot gesessen hätten. Ob das ein Tret- oder ein Ruderboot war, konnte er allerdings nicht mehr sagen. Die meisten der gestern angereisten bundesdeutschen Beschwerdeführer argumentierten, sie seien zwar auf dem See gewesen, hätten ihre Hosen aber nicht heruntergelassen oder ganz einfach nur nackt gebadet. Sie beantragten für einen neuen Termin die Ladung von drei ebenfalls registrierten Niederländern und des Kanzlerehepaars Kohl und fanden es „ziemlich unmöglich“, daß sie den Saal 101 nicht mit der Aufhebung der Ordnungsstrafe verlassen konnten. Beschwerdeführer Jost Kerkmann aus dem niedersächsischen Stadthagen, der mit einem lecken Tretboot in die Ereignisse geraten war, beklagte die grobe Behandlung durch die österreichischen Ordnungshüter und verlangte die Vernehmung der Kohls zum Beweis dafür, „daß ich mich nicht ausgezogen habe!“. Ein neuer Termin soll noch in diesem Jahr stattfinden. Heide Platen