Deutscher Narzißmus

■ Stoibers Anti-Euro-Polemiken zielen auf Kohl – und treffen Europa

In der bayerischen Staatskanzlei werden sie jetzt wieder eifrig rechnen, wieviel drei Prozent sind. Nach der Herbstprognose der EU-Kommission wird selbst Italien sein Haushaltsdefizit auf diese magische Marke senken können. Dabei hatte sich Stoiber so schön darauf eingeschossen, daß dem Bürger eine Währungsunion mit dem unsoliden Nachbarn nicht zuzumuten sei. Als Beweis für die mangelnde Haushaltsdisziplin jenseits der Alpen führte er immer wieder die italienische Neuverschuldung an. Aber die ist – glaubt man der EU-Kommission – in diesem Jahr nicht höher als die deutsche.

Natürlich werden Stoiber & Co. noch genügend Haare in der Euro-Suppe finden. Das voraussichtliche französische Defizit von 3,1 Prozent zum Beispiel oder die Buchhaltungstricks, mit denen alle EU- Regierungen ihre Zahlen frisiert haben. Dabei weiß auch Stoiber, daß die Stabilität der künftigen Euro-Währung nicht von ein paar Punkten hinter dem Komma abhängt. Entscheidend ist, daß sich die Volkswirtschaften in ihren Grunddaten annähern, bei der Inflationsrate etwa oder bei den langfristigen Zinsen. Und da haben alle EU-Regierungen in den letzten zwei Jahren Fortschritte gemacht, die ihnen noch vor kurzem niemand zugetraut hätte. Genau das belegt das gestern veröffentlichte Herbstgutachten der EU-Kommission.

Wenn es Stoiber und anderen wirklich darum ginge, die Risiken der Währungsunion zu mindern, dann gäbe es Wichtigeres als die Fixierung auf die Drei-Prozent- Marge. Der Euro müßte von einer gemeinsamen Beschäftigungsstrategie flankiert werden, überfällig wäre auch eine Angleichung der Steuersysteme, damit im Euro- Land die Steuerflucht nicht zum Standard wird. Aber darum geht es Stoiber gar nicht. Der Bayer will Kohl in der Pfanne braten. Denn das mögen die bayerischen Wähler, und im nächsten Jahr sind schließlich Wahlen.

Die aberwitzige Drei-Prozent-Diskussion hat nicht nur eine vernünftige Auseinandersetzung um den Euro zugeschüttet. Sie belastet zunehmend die europäische Zusammenarbeit. Gerade die Art und Weise, wie Italien seine aktuelle Regierungskrise bewältigt hat, zeigt, wie wichtig die Euro-Teilnahme für Italien ist. Dem hat Rom seine gesamte Politik untergeordnet. Nicht nur in Italien sehen nun viele mit Befremden, wie Stoiber am Euro zündelt, nur um Kohl zu rösten. Alois Berger