Siegeszug des großen „I“

■ Die Bremer Sparkasse entdeckt ihre Kundinnen / 2.500 Formulare wurden durchforstet / Ab sofort gilt formulare Gleichberechtigung / Bei anderen Banken Fehlanzeige

Ist die Sparkasse Bremen von subversiven Elementen unterwandert? Haben sich GleichberechtigungsfanatikerInnen oder SexistInnen in die Reihen der unbescholtenen BankerInnen eingeschleust? Oder haben die taz-Bremen beziehungsweise die Züricher Wochenzeitung ihre Finger im Spiel? „Nein! Davon habe ich noch nichts gehört“, beteuert ein hörbar verdutzter Sparkassen-Sprecher Hans-Joachim Genzmer. Dennoch: Die Sache läßt ihm keine Ruhe. Er will sich sofort erkundigen – bei den entsprechenden Abteilungen. Zehn Minuten später: „Die Sache stimmt“, bestätigt Herr Genzmer. 2.500 Formulare, vom Gutschrift-Vordruck bis zum Einzahlungsschein, wurden durchforstet und geändert. Ab sofort gibt es bei der Sparkasse auch Kontoinhaberinnen, Frauen können Überweisungen empfangen und Gutschriften tätigen. Und das direkt zusammen mit den Männern. Kurz: Die Bremer SparkassistInnen haben das große „I“entdeckt.

Sämtliche Unterwanderungsthesen kann Herr Genzmer aber entkräften: „Das war eine Anregung einer Kundin Anfang dieses Jahres. Die fand unsere alten Formulare einfach nicht mehr zeitgemäß.“Da keine Zusatzkosten anfielen, wurde der Vorstand nur kurz über das „I“in Kenntnis gesetzt. Dann machten sich die FormularhüterInnen an die Arbeit. Inzwischen sind alle Vordrucke geändert, die formulare Gleichberechtigung ist durchgesetzt. Es gibt sie, die und den Sparkassen-Konto-InhaberIn. „Mir gefällt das übrigens ganz gut“, sagt Herr Genzmer. „Das spiegelt unsere Mitarbeiter(Innen, die Red.)situation wider. Wir haben nämlich 55 Prozent weibliche Angestellte.“

Unbewußt nimmt die Bremer Sparkasse damit sogar eine Vorreiterrolle ein. Stichproben bei anderen Banken ergaben Niederschmetterndes. Die Bremer Landesbank kennt nur Kontoinhaber und Einzahler. So auch die Commerzbank, deren Computer in chauvinistischer Überheblichkeit bei Einzahlungen von Kontoinhaberinnen keinen Alarm schlagen. Die BfG-Bank präsentiert sich ebenfalls maskulin, obwohl doch mit einer toll-hübschen Blondine und einem grinsenden Hund geworben wird, der einem Mann ans Bein pinkelt. Den Vogel schießt aber die Deutsche Bank ab. Neben Männer-Formularen findet sich in der chromblitzenden Schalterhalle auch noch frauenfeindliche Werbung. Unter dem Slogan „Im eigenen Haus geben Sie den Ton an“wird für das Deutsche Bank-Bausparen geworben. Den Ton in einem lichtdurchtosten Wohnzimmer gibt ein Mann per Saxophon an. Eine miniberockte (sic!) Frau darf dazu tanzen.

Damit sind die Deutschen Banker klar aus dem Rennen. Aber was ist mit den anderen Banken? Ist die Sparkasse vielleicht gar nicht frauenfreundlich, sondern sexistisch? Grenzt sich der Rest bewußt von der roten Truppe am Brill ab? Schließlich haben Feministinnen das „I“immer wieder als phallisch verurteilt. Dagegen bot die taz-Redaktion anno –92 ein Patentrezept an. Der Anhang bleibt nicht weiblich, sondern die Männer werden hintangehängt. Gemäß der Verortung der Geschlechtsorgane wird das weibliche Innen durch das männliche Außen ersetzt. Aus StudentInnen werden StudentAußen. Besonders apart macht sich das bei den BinnenschifferAußen oder den AuslandsauskunftsmitarbeiterAußen. Auch InnenministerAußen Kanther dürfte sich freuen.

Doch zurück zur Sparkasse. KontoinhaberAußen dürfte kaum ein Mensch verstehen. Und sexistische Tendenzen können den BankerInnen auch nicht unterstellt werden – angesichts der Karriere des „I“. Entstanden ist der unbescholtene Großbuchstabe einfach aus dem Schrägstrich. Aus Studenten/Studentinnen wurde Student/innen und im Abschluß StudentInnen. Das große „I“im Wort war geboren. Erfinder – oder besser der Weiterentwickler des Schrägstrichs – war angeblich der Buchautor Christoph Busch. Er schrieb 1981 erstmals in der Abhandlung „Was Sie schon immer über Radios wissen wollten?“über „HörerInnen“. Zu diesem Schluß kommt zumindest der Sprachwissenschaftler Otto Ludwig im Dezember 1989 in seinem Aufsatz „Der Deutschunterricht“. Busch wird dort zitiert: „Um den Geschlechtern Gerechtigkeit und mir Bequemlichkeit anzutun, ließ ich es zum großen „I“kommen: Trennung und Verbindung auf einen Streich in einem Strich.“

Da Busch über das Radiowesen schrieb, trat das „I“seinen Siegeszug dann auch konsequenterweise über einen Radiosender an. Der Züricher Lokalsender Radio LoRa warb am 11. November 1983 in der Züricher Wochenzeitung (WoZ) laut Linguist Ludwig beim Sendestart mit einer Anzeige, in der das „I“konsequent auftauchte. Das wiederum wurde von der Redaktion aufgegriffen und per Konsens entscheid ab sofort in der Zeitung umgesetzt. Damit gelten die ZüricherInnen als die BegründerInnen des „I“in der Tagespresse. Nach Deutschland importiert wurde das „I“schließlich ein Jahr später, als der WoZ-Redakteur Oliver Tolmein zur taz wechselte. Von dort vererbte sich der berühmt berüchtigte Großbuchstabe auf die taz-Bremen. Und jetzt auch auf die hiesige Sparkasse. Wir gratulieren, liebe BankerInnen. Jens Tittmann