Lauter kleine Coups

■ Glaube, Liebe, Hoffnung in den Zeiten von Tony Blair. "Shooting Fish" von Stefan Schwartz ist eine flotte Gaunerkomödie, die der Unterstützung des großen Bruders Britpop gar nicht bedarf

Die letzte Wahrheit lag mal wieder auf dem Platz, und zwar auf einem römischen: Dort qualifizierte sich die englische Fußballmannschaft gegen die Italiener für die Fußball-WM in Frankreich. Wer bis dahin noch nicht glauben mochte, daß man in England wieder wer ist in der Welt, wurde vielleicht an diesem Wochenende eines Besseren belehrt. Denn ganz so recht trauen möchten die Briten insbesondere ihrem kulturellen Aufschwung nicht: Da feiern sie nun schon seit über drei Jahren ihren Britpop so übertrieben und überschwenglich, daß man nicht umhin kommt, schwerwiegende Minderwertigkeitskomplexe als Antrieb dafür zu sehen – und tatsächlich starrt die britische Presse nach Amerika und bangt, ob Oasis und Blur auch dort abzuräumen vermögen.

Mit ihren Filmen ist das nicht anders. Die sind in letzter Zeit zwar alle ganz anständig und locker und frisch, ein „neues britisches Kino“ konstruiert man sich aber worwiegend jenseits der Insel. Zumal viele Filme, sagen wir mal „Trainspotting“ und „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, inhaltlich und milieumäßig nicht ganz auf einer Linie liegen und man sie auch nicht, wie noch beim letzten „britischen Filmwunder“ in den späten Achtzigern, als trotzig-subtilen Protest gegen den Thatcherismus subsumieren kann.

Auch „Shooting Fish“, der Debütfilm von Stefan Schwartz, brauchte erst ein paar freundliche Anstöße von außen. In Cannes das erste Mal gezeigt, wurde er dank dortiger freundlicher Aufnahme in den weltweiten Kinoverteiler eingespeist. Und weil nun mal Musik immer noch der beste Speck ist, mit dem man junge Mäuse fängt, bewirbt man den Film unverblümt und ordentlich mit seinem Soundtrack. Der deutsche Verleih entblödet sich dabei nicht, ihn als „Antwort auf Britpop“ zu feiern, und verschleiert damit nur dürftig, daß hier mit Bands wie den Bluetones, den Wannadies, The Divine Comedy oder Space nur die zweite Britpop-Liga am Start ist. Das Magazin The Face nennt es das „Post- ,Trainspotting‘-Syndrom“ und glaubt, daß da ein paar Filmproduzenten mit Hilfe der „Groovy swinging Britpop sounds“ in der „Men in Black“-Klientel wildern wollen. Amerika halt wieder.

Wie auch immer: Eigentlich kommt „Shooting Fish“ auch gut ohne Hilfe des großen Bruders Britpop aus. Er erzählt die freundliche, flotte und märchenhafte Geschichte von Jez (Stuart Townsend) und Dylan (Dan Futterman), die sich mit kleinen Gaunereien und großen Trickbetrügereien ihren Traum von einem hochherrschaftlichen Landsitz erfüllen wollen: Als Waisen hatten sie nämlich nie ein richtiges Zuhause. Natürlich nehmen sie ganz Robin Hood-like nur von den Reichen und Bornierten. An die verscheuern sie sprachgesteuerte Computer, installieren in deren Reihenhaussiedlungen immer wieder ein und dieselbe Dachbodenisolierung oder melden beim Patentamt selbstleuchtende Glühlampen an. Der große Coup steckt bei ihnen im Kleinvieh. Damit alles auch ein wenig kompliziert und dramatisch wird, verliebt sich Jez in ihre weibliche Assistentin Georgie (Kate Beckinsale), die wiederum ein wahrlich edles Anliegen hat: Sie muß unbedingt das von Schließung bedrohte Heim retten, in dem ihr geistig behinderter Bruder lebt. Und eine ganz liebreizende Schwester hat sie auch noch, klar. Stoff genug also für eine lustige Gaunerkomödie, die bis zum unvermeidlichen Happy-End ein paar funkelnde Kapriolen schlägt. Glaube, Liebe, Hoffnung und die Erfüllung aller Wünsche in den Zeiten von Tony Blair könnte man dazu auch sagen. Alles ganz wunderbar, und wer da seinen Augen nicht traut, der fährt halt nächstes Jahr zum Fußball nach Frankreich. Gerrit Bartels

„Shooting Fish“. Regie: Stefan Schwartz. Mit Stuart Townsend, Dan Futterman, Kate Beckinsale u.a. GB, 108 Minuten