Voll in der Rückwärtsbewegung

Jürgen Röber hat Probleme: Erstens kann der Trainer des Bundesligaletzten Hertha BSC mit seinen neuen Spielern nichts anfangen. Zweitens kann er das nicht zugeben  ■ Von Peter Unfried

Berlin (taz) – Es kann ja vorkommen, daß die Übertragungsanlage im Presseraum des Berliner Olympiastadions nicht funktioniert. Dann kommen die Schaffenden der elektronischen Medien und bitten den Mann am Pult, seine Gedanken zu wiederholen. „Wenn wir verlieren“, sagt dann Jürgen Röber, „kann ich das Spiel auch nicht wiederholen.“

Es ist aber nicht so, daß er nicht täte, was er kann. Also fängt er an zu fuchteln und erleidet das 2:2 gegen den VfL Bochum noch mal. Und noch mal. Im „Endeffekt“ wollte und konnte er „froh sein, daß man nach dem 1:2 noch den Ausgleich macht“. Daß der Tabellensiebzehnte „spielerisch besser“ war, mochte Röber gar nicht bestreiten. Er selbst hat ja mangels Anfangserfolgen den Versuch abgebrochen, sich in der Bundesliga mit spielerischer Klasse durchzusetzen.

Dafür hat man nun „Riesenkampf!“ wie Bild gestern attestierte, zu Recht aber gleich bange nachfragte: „Aber was soll jetzt werden?“ Der Spielmacher Kjetil Rekdal etwa ist eine Fachkraft, die in einem angriffsorientierten Team aus dem Mittelfeld die Angreifer in Szene zu setzen beliebt. Gegen Bochum hatte er die Aufgabe, dem Gegner hinterherzurennen. Das Ergebnis behagte dem Trainer aber „in der Form nicht“ – nach einer Stunde blieb von Rekdal nur eine verärgert abgestreifte Kapitänsbinde. Es war seine prägnanteste Szene. Der norwegische Nationalspieler sagt, er sei „noch nie ein Grätscher“ gewesen.

„Wenn du einen Spieler kaufst“, sagt Rekdal, „mußt du seine Stärken ausspielen.“ Das wollte Röber auch – nur jetzt eben nicht mehr. Er glaubt nicht mehr, daß die Qualität der Neuen und damit die des Teams reichen, um mittels von ihm eigentlich favorisiertem Angriffsfußball aus sechs Punkten noch so viele zu machen, daß der Abstieg zu vermeiden wäre. Laut sagen kann er es aber auch nicht. Schließlich gelten er und der Manager Dieter Hoeneß als verantwortlich für die Personalpolitik.

Den Niederländer Roy hat der Trainer zuletzt bei Tests „überragend hinter den Spitzen erlebt“. Nur: „Wir sind kein Team, das mit einem Mann hinter den Spitzen spielen kann.“ Die Bundesliga ist ein einziger Lernprozeß – und die Kollegen haben tatsächlich genug mit ihren Gegenspielern zu tun, als daß sie Roys bemängelte „Arbeit in der Rückwärtsbewegung“ (Röber) ausgleichen könnten. Also denkt er nicht mal mehr daran, Roy zu bringen, und setzt lieber wieder auf laufstarke Vorjahrshelden wie Hartmann und Fährmann.

Was den Kameruner Tchami betrifft, hat der traditionell nationalbewußte kicker längst den Verdacht, er werde „von einem Stammesbruder“ gedoubelt. Sergej Mandreko, auch ein Neuer, fiel gegen Bochum ebenfalls nur unglücklich auf, als er vor dem 1:1 „einfach den Ball nicht wegmacht“ (Röber), statt dessen eine Kerze schlug – und umgehend ausgewechselt wurde. Herthas Plus: Man hatte bei Frei- und Eckstößen Stärken – oder Bochum Probleme. Ansonsten wurden, wie VfL-Libero Stickroth auffiel, „doch nur die Bälle hoch reingespielt“. Das aber dürfte gegen den samstäglichen Gegner VfB Stuttgart nicht anders sein – es handelt sich um die neue Taktik.

Hertha BSC: Kiraly – Karl – Herzog, van Burik (63. Hartmann)- Mandreko (46. Fährmann), Veit, Rekdal (57. Dardai), Andreas Schmidt, Dinzey – Preetz, Sverrisson

VfL Bochum: Gospodarek – Stickroth – Sundermann, Fahrenhorst – Peschel, Mamic, Hofmann, Reis (88. Schreiber) – Wosz, Közle (73. Michalke) – Gülünoglu (57. Dickhaut)

Zuschauer: 36.746

Tore: 1:0 Dinzey (26.), 1:1 Karl (40., Eigentor), 1:2 Wosz (53.), 2:2 van Burik (63.)