Nicaraguas rechter Präsident ist auf Schlingerkurs

■ Was er eigentlich tut, weiß niemand so genau. Mit Unentschlossenheit und verbaler Kraftmeierei treibt Arnoldo Alemán seine eigene Regierungsmannschaft zur Verzweiflung

San Salvador (taz) – Selbst enge Freunde des nicaraguanischen Präsidenten Arnoldo Alemán sind verzweifelt. Keiner weiß mehr, wo es langgehen soll. „Es sieht so aus, als ob sich der Präsident um alles mögliche kümmert; nur nicht darum, der Regierungspolitik einen festen Kurs in Richtung Fortschritt zu geben“, sagt Noäl Vidaurre, der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Parlaments.

Alemán ist gerade neun Monate im Amt und hat bereits zwanzig Minister, Vizeminister und Regierungsdirektoren in ministerähnlicher Stellung verschlissen. Die Regierung Nicaraguas steckt in einer Dauerkrise. Als vorläufig letzter trat Ende September Präsidentschaftsminister Lorenzo Guerrero zurück. Jeder in der Regierung mache, was er wolle, klagte er entnervt. Alemán beschränkt sich darauf, morgens um acht in den Amtsstuben zu kontrollieren, ob alle bei der Arbeit sind. Was dort gearbeitet wird, interessiert ihn wenig.

Aleman war Mitte Januar mit dem Versprechen angetreten, Ordnung in die heruntergekommene Wirtschaft zu bringen und jährlich 100.000 Arbeitsplätze zu schaffen. An der Arbeitslosenquote von fast sechzig Prozent hat sich seither nichts geändert. Kaum ein Unternehmen investiert. Das Vertrauen in die Wirtschaftspolitik der Regierung, sagt Handelskammerpräsident Martin Barcenas, „ist schwer gestört“. Bei den ständig wechselnden Ministern wüßten die Unternehmer nicht mehr, an wen sie sich halten sollen.

Am wenigsten an den Präsidenten. Der schwankt im Monatsrhythmus zwischen einem radikalen neoliberalen Wirtschaftsprogramm und vorsichtigem Entgegenkommen gegenüber der Opposition der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN). Hauptstreitpunkt sind dabei Ländereien und Immobilien, die in der sandinistischen Regierungszeit zwischen 1979 und 1990 konfisziert worden waren.

Alemán hatte versprochen, die Güter ihren früheren Besitzern zurückzugeben. Zwei nationale Protestwochen der Sandinisten im April und Juli ließen ihn immer wieder umfallen. Zwischendurch setzte er auf Geheimverhandlungen mit der Opposition. Dabei kam tatsächlich ein Kompromiß heraus, der sogar vorsah, daß FSLN-Generalsekretär Daniel Ortega dem früheren Besitzer seines Hauses eine Entschädigung bezahlt.

Alemán aber wollte diesen Kompromiß vom sogenannten „Nationalen Dialog“ absegnen lassen. Da machten die Sandinisten nicht mit. Seither herrscht wieder Konfrontation. Ende September gab die Regierung die Pharma- Fabrik Solka an ihre früheren Besitzer zurück. Die Arbeiter verbarrikadierten sich im Werk und lieferten der Polizei eine tagelange Schlacht.

Daniel Ortega seinerseits rief dazu auf, die Errungenschaften der sandinistischen Revolution notfalls mit der Waffe zu verteidigen. Alemán nannte ihn daraufhin einen „Geisteskranken“. Doch solche verbalen Kraftmeiereien beeindrucken niemanden mehr. Auch die US-Regierung, die einst auf Alemán gesetzt hatte, will mehr als nur Worte. Wenn das Problem mit der Rückgabe beschlagnahmter Güter nicht bald gelöst werde, drohte US-Botschater Lino Gutierrez Anfang Oktober, werde die Entwicklungshilfe radikal zusammengestrichen. Nach dem Sieg der Sandinisten hatten sich Hunderte von Unternehmern in die USA abgesetzt. Die meisten besitzen die dortige Staatsbürgerschaft. Und was das ehemalige Eigentum ihrer Bürger angeht, versteht die US-Regierung keinen Spaß. Toni Keppeler