: Plädoyer für die „Schattenmenschen“
■ Ein neues Bündnis will illegal in Deutschland lebende Ausländer unterstützen
Berlin (taz) – Mit einem Appell, der von über 150 Flüchtlingsinitiativen, Kirchen-, Gewerkschaftsgruppen und mehr als 1.000 Einzelpersonen unterzeichnet ist, wandte sich gestern eine neue Initiative zur Unterstützung von Illegalen an die Öffentlichkeit. Der Aufruf „Kein Mensch ist illegal“ wurde in Bonn auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Erstunterzeichner sind neben Wissenschaftlern, Rechtsanwälten und Ärzten auch Künstler wie Christa Wolf und Elfriede Jelinek. Ziel des Bündnisses ist, Flüchtlinge und Immigranten ohne gültigen Aufenthaltsstatus zu unterstützen. Dies kann geschehen durch Hilfe bei der Ein- oder Weiterreise, bei der Unterkunft, beim materiellen Überleben oder bei der medizinischen Versorgung.
„In entrechtetem, ungesichertem oder illegalisiertem Status zu leben“, heißt es in dem Aufruf, „bedeutet völlige Schutz- und Rechtlosigkeit gegenüber Behörden, Arbeitgebern und Vermietern, aber auch im Falle von Krankheiten, Unfällen oder Übergriffen.“ Illegalität, so erläuterten gestern die Initiatoren des Aufrufs, schaffe „Nischen des Überlebens, die mehr oder weniger an Sklavenverhältnisse erinnern“. Nur die wenigsten dieser „Vogelfreien“ seien heimlich nach Deutschland eingereist. Die meisten seien erst hier durch rigide ausländerrechtliche Vorschriften in den illegalen Status gedrängt worden. Sie lebten ohne aufzufallen oder kriminell zu werden von der Unterstützung ihrer Freunde und Bekannten.
Auch die zahllosen Flüchtlingsgruppen und Initiativen, die zunehmend mit dem Problem der „heimlichen Menschen“ konfrontiert sind und ihnen mehr oder minder verdeckt helfen, müssen die Kriminalisierung fürchten. Mit Blick auf Frankreich, wo ein breites Spektrum von Intellektuellen, Künstlern und namhaften Prominenten eine Bewegung für die „sans papiers“ geschaffen hat, will die Initiative „Kein Mensch ist illegal“ eine Debatte über das Thema anregen und durch ein Netzwerk politischen Rückhalt schaffen. So finden sich unter den Erstunterzeichnern des Aufrufs auch Kreisverbände von SPD und Bündnis 90/Grüne, Gewerkschaftsgruppen und antirassistische Initiativen aus dem ganzen Bundesgebiet.
Einen Tag bevor das Bündnis mit seinem Appell an die Öffentlichkeit trat, hatten in Prag Migrationsminister aus 40 Staaten auf einer internationalen Konferenz illegaler Einwanderung als „Bedrohung für die Sicherheit der europäischen Länder“ den Kampf angesagt. Vera Gaserow
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