Analyse
: Wie ein Brecht-Stück

■ Die US-Wahlkampfspendenaffäre - über die Käuflichkeit von Politik

Die US-amerikanische Justizministerin Janet Reno braucht noch mehr Zeit. Sie hat die Vorermittlungen in der Wahlkampfspendenaffäre ihres Präsidenten ausgedehnt und die Entscheidung darüber, ob sie ihre Nachforschungen nicht lieber einem unabhängigen Staatsanwalt übergeben soll, um 60 Tage verschoben. So schleppen sich die Ermittlungen gegen Bill Clinton und Vizepräsident Al Gore weiter dahin. Je ein Ausschuß des Senats und des Repräsentantenhauses sowie das Justizministerium beschäftigen sich mit der Finanzierung des letzten Demokraten-Wahlkampfs. Technisch geht es darum, ob Clinton und Gore 1996 zu ihrer Wiederwahl auf gesetzwidrige Weise Wahlkampfspenden eingeworben haben. Inhaltlich geht es darum, ob die Politiker der USA käuflich sind. Vom letzteren ist die Öffentlichkeit überzeugt, das erstere scheint sie nicht zu interessieren.

Wahlkämpfe kosten in den USA absurd viel Geld, der letzte hat 2,7 Milliarden Dollar verschlungen. Ein Bruchteil davon kommt aus öffentlichen Mitteln oder aus den Taschen engagierter Individuen, den größten Teil steuern Interessengruppen sowie Wirtschaft und Industrie bei. Das machen die natürlich nicht selbstlos. Neu ist das alles nicht, nur scheint Clinton eine besondere Virtuosität und einen ganz eigenen Erfindungsreichtum bei der Akquisition von Spendengeldern entwickelt zu haben. Gegen entsprechende Summen wurden Spender zu Kaffeekränzchen oder zum Übernachten ins Weiße Haus eingeladen, gegen noch höhere Spenden gab es Zugang zum Präsidenten persönlich.

Die Verquickung von Geld und Politik in den USA ist derart schamlos, daß es ein paar schamhafte Versuche gibt, sie zu regulieren. So unterscheidet das Gesetz zwischen hartem und weichem Geld. Ersteres unterliegt Mengenbeschränkungen und darf unmittelbar im Wahlkampf eingesetzt werden, letzteres kann in unbegrenzter Höhe gespendet werden, aber nur zur politischen Bildung ausgegeben werden. Und auf dem Gelände von Bundesbehörden dürfen Spenden gar nicht eingetrieben werden. Just gegen dieses Gesetz aus dem 19. Jahrhundert sollen Clinton und Gore verstoßen haben, als sie vom Weißen Haus aus potentielle Spender anriefen. Janet Reno wird unter anderem ermitteln müssen, ob der Präsident von den Büroräumen oder dem Wohnbereich des Weißen Hauses aus telefoniert und ob er um hartes oder um weiches Geld nachgesucht hat.

US-amerikanische Politik könnte ein Stück von Bertolt Brecht sein, doch das Stück spielt vor leeren Rängen. Niemand glaubt in den USA daran, daß ein System reformiert werden kann, in dem der Prozeß der politischen Willensbildung zu einer Auktion verkommen ist: Politik wird meistbietend versteigert. Peter Tautfest, Washington