Einführung ins „Ungarndasein“

■ Heute beginnen in Hamburg die Ungarn-Wochen. Kulturabkommen wird bis 1998 verlängert

Ungarn, das liegt zwar nicht down under, wie das ebenfalls in diesem Monat mit Kulturveranstaltungen vertretene Australien, es ist aber – trotz seiner zentralen Lage in Europa – kulturell ein ähnlich exotisches Land wie der fünfte Kontinent. Von heute bis zum 28. Mai präsentiert sich Ungarn in Hamburg 95 mit Tanz, Theater, Musik und viel Literatur.

Nach langer Vorbereitungszeit und dennoch unter offensichtlichem Zeitdruck entstand das Programm, das heute abend mit einem Festakt im Hamburger Rathaus eröffnet wird. Höchster ungarischer Gast wird Kulturminister Gábor Fodor sein, der gemeinsam mit Kultursenatorin Christina Weiss das 1992 unterzeichnete Kulturabkommen zwischen Hamburg und Ungarn um weitere drei Jahre verlängert.

Am eindrucksvollsten ist die Literatur vertreten, mit international so bekannten Namen wie György Konrád und Péter Esterházy. Ihnen stehen im Ausland weniger bekannte, aber nicht minder wichtige Autoren zur Seite: Miklós Mészöly, der große alte Mann der ungarischen Literatur, Romancier und Essayist, und László Krasznahorkai, Portraitist der kleinstädtischen Gesellschaft im politischen Wandel. Zu den beachtenswerten Talenten der jüngeren Generation gehören Endre Kukorelly und Laszlo Márton und Laszlo Darvasi, die einen Monat als Stipendiaten der Hansestadt in Hamburg verbringen werden. Im Gegenzug reisen dann neben der Hamburger Autorin Barbara Strohschein auch Mirko Bonné und Joachim Helfer nach Budapest.

Deutlich dünner ist das Programm in den Sparten Theater und Film. Bereits seit März zeigt das Metropolis-Kino eine kundige Auswahl wichtiger moderner Filme aus Ungarn. Der siebeneinhalbstündige Film Satanstango, nach dem gleichnamigen Roman von László Krasznahorkai verlangt den Zuschauern allerdings einiges an Ausdauer ab. Eine sinnige Vorbereitung auf diesen Marathon-Kinoabend ist die Lesung mit dem Autor. Beim Theater setzt die Kulturbehörde fast alles auf eine Karte. Die derzeit berühmteste Budapester Truppe, das Katona-József-Theater, wird zu zwei Aufführungen des Stücks Everywoman von Péter Kárpáti nach Hamburg kommen. Daneben wird es nur noch die szenische Lesung der Witwen von Akos Kertesz im Hamburger Kellertheater geben. Das ist gerade angesichts der reichen Theaterszene des Landes bedauerlich wenig.

Auch der Tanz ist mit einem einzigen Termin schwach vertreten. Die Musikszene wird durch drei Jazz-Veranstaltungen mit dem ungarischen Starbassisten Aladár Pege und seiner Band repräsentiert. Zudem wird eine Zigeunerkapelle für acht Abende im Atlantic-Hotel zu ungarischen Speisen aufspielen. Zeitgenössische Konzertmusik ist leider gar nicht vertreten.

Im Bereich der Bildenden Kunst bildet eine Serie von „Installationen“, verteilt auf sämtliche partizipierenden Institutionen, den Schwerpunkt. Plakatkunst und junge Malerei ergänzen das Programm. Die Universität und der ungarische Honorarkonsul informieren in verschiedenen Vorträgen über die politische Situation in Ungarn heute. Besonders großes Engagement zeigt die Katholische Akademie: sie hat in fast jeder der genannten Sparten etwas zu bieten.

E.-M. Kallen

Das Programm ist in Buchläden, Kinos und Theatern erhältlich