Höhlenzeichnungen

■ Das Caspar Brötzmann Massaker

All jenen, die dem Sohn des Saxophonisten Peter Brötzmann Wiederholung oder gar Stagnation vorwerfen, gab seine letzte Veröffentlichung Nahrung zuhauf. Auf Home fixierte er mit Massaker ausschließlich Stücke seiner beiden ersten Alben. Vermutungen, warum Brötzmann solches tut, bestätigt der große Wahl-Berliner der taz gegenüber gern: Home sei Heimat, diese Lieder, sieben Jahre beständig gespielt, sind Heimat. Heimat ist auch Bühne, dort, wo das, was in Zimmerlautstärke schon mit Vehemenz durch die Poren dringt, zu ungeheuerer Größe anschwillt und Produzent wie Konsument ergreift. Zuviel Pathos?

Zunächst einmal Musik. Musik als ein Medium, ein Code, eine Sprache, oder, besser gesagt, viele Sprachen. Brötzmanns Sprachen blieben in all ihrer Heftigkeit und Präsenz stets zweifelnd und sensibel. Vielleicht teilt sich dies nicht beim ersten Kontakt mit, bei dem ob der schieren akustischen Gewalt und der höchstwahrscheinlich schwierigen Denotationen seiner Begrifflichkeiten im günstigen Fall Erstaunen herrscht. Nein, über das popularisierte Jugendverlangen nach klanglicher Härte kann Brötzmann nicht vermarktet werden, denn dazu ist seine Musik in einem positiven Sinne zu erwachsen - ebenso unmodisch wie inhaltsreich.

Im letzten Jahr tourte Massaker mit Helmet, die wunderbar kantige Abgrenzungen formulieren. Eine ebenso reizvolle wie unglückliche Kombination, denn statt Kanten zu verstärken, macht sich Brötzmann per Musik ganz weit auf. In New York kam es zu einer verwandteren Begegnung: Dort wurde ein Konzert von ihm und FM Einheit von Aphex Twins rauhen Klanggemälden umrundet. Im Vergleich zu seinen Solo-Auftritten ist die Arbeit mit Massaker nicht nur durch die Rhythmussektion strukturierter, auch das Maß an Improvisation ist unvergleichlich geringer. Womit wir wieder am Anfang angelangt wären. Nach Jahren spielt Brötzmann wieder mit seiner ersten Massaker-Besetzung und präsentiert – möglicherweise zum letzten Mal – seine bisherige Heimat, bevor es auf neue Reisen geht. Nicht nur in Gitarrenmusik-Relation ist Brötzmanns Kunst nach wie vor einmalig und keineswegs statisch oder ohne Bezug zur Gegenwart. Warum er sich möglicherweise für seine Stücke und seine Konzepte etwas mehr Zeit läßt, kann live nachempfunden werden. Uschi Steiner

15. Mai, Markthalle, 21 Uhr