Aktenkoffer- und Plastiktüten-“Bomben“

■ Nach Tokio und Oklahoma: Keine Panik in Hamburg, aber „erhöhte Sensibilität“ Von Christoph Ruf

Der Anlaß für den Einsatz war banal, die Folgen jedoch laut und für mindestens einen Menschen ziemlich ärgerlich. Am Dienstag hatte ein Mitarbeiter der „Deutschen Bank“ in der Ludwig-Erhard-Straße einen verdächtigen Koffer bemerkt und kurzentschlossen die Polizei alarmiert. Diese spulte routiniert das in solchen Fällen übliche Repertoire ab: Weiträumige Straßensperrungen, Herbeischaffung aufwendiger technischer Geräte, auch der Sprengmeister mußte ran. Doch die vermeintliche Bombe erwies sich – als sich die Dynamitwolke gesenkt hatte – als ordinärer Aktenkoffer, dem ein Stapel Geschäftspapiere entwichen war.

Solche Szenen sind in Hamburg in diesen Tagen häufiger als sonst zu beobachten. Für die Enttarnung so mancher „Bombe“ als vergessene Plastiktüte sorgt – nach den Anschlägen von Tokio und Oklahoma – „die erhöhte Sensibilität der Bevölkerung“, wie Wolfgang Ketels von der Pressestelle der Polizei ausführt. Zwar müssen die Fachleute in Sachen Sprengkörperentschärfung derzeit öfter ausrücken, doch einen Trend hat Ketels noch nicht erspäht.

Am Montag dieser Woche kam der Sprengmeister gar dreimal zum Einsatz. Neben einer vermeintlichen Bombe in Wandsbek wurde im Schanzenviertel eine mit Nägeln versehene Bowlingkugel konfisziert, während am Hauptbahnhof ein sich vielleicht für originell haltender Mensch eine Attrappe hinterlegt hatte.

Von „Panik“ mag man momentan bei der Polizei dennoch nicht sprechen. Ebensowenig beim HVV, bei dem, wie Pressesprecherin Ursula Felten berichtet, „kurz nach Tokio sehr viele besorgte Anrufe von Fahrgästen“ eingegangen sind.

Die Vorsicht aufmerksamer Mitbürger ist allerdings nicht billig. Die Kosten des gesamten Aktenkoffer-Einsatzes vom Dienstag bezifferte Herr Burba von der Rechtsabteilung der Hamburger Polizei gegenüber der taz vorsichtig mit „etwa 10.000 Mark“. Gemäß der „Gebührenordnung für Maßnahmen auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ vom 7. Dezember 1993 könnte der vergeßliche Geschäftsmann durchaus dafür haftbar gemacht werden. Dies wäre dann der Fall, wenn er als „Störer“, also als Verursacher des Einsatzes angesehen wird, und wenn die sogenannte „Anscheinsgefahr“, also der Verdacht, von dem Gegenstand könne „eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausgehen“, vorliegt. Doch, wie Burba hinzufügt, „von diesem Recht haben wir in der Vergangenheit noch nie Gebrauch gemacht“.

Wer allerdings meint, den Inhalt einer durch Sprengung entwerteten Einkaufstüte ersetzt zu bekommen, ist im Unrecht, es sei denn, „er kann plausibel machen, daß ihm ein erheblicher Verlust entstanden ist“, setzt Burba vorsichtshalber hinzu.