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Mit Politik nicht befaßt

■ Das St. Pauli-Archiv zeigt in einer Ausstellung den anstrengenden Frauenalltag in Kriegs- und Nachkriegszeit Von Iris Schneider

Das Leben im Krieg war hart, nicht nur an der Front. Auch für Zivilisten wurde der Alltag zum Überlebenskampf. Der wurde von den Nationalsozialisten flugs zur „Heimatfront“ hochgejubelt. An den Frauen blieb meistens die Sorge für das tägliche Überleben hängen. „Man versuchte längs zu kommen und man lebt ja noch...“: Unter diesem Titel, der das Lebensgefühl der Frauen damals wiedergibt, zeigt die Frauengruppe des St. Pauli-Archivs im ehemaligen Israelitischen Krankenhaus (Simon-von-Utrecht-Straße 4a) „Frauenalltag auf St. Pauli in Kriegs- und Nachkriegszeit“.

„Ich habe doch nichts erlebt! Ich kann doch nichts erzählen“, wehrten viele Zeitzeuginnen ab, als die Stadtteilhistorikerinnen sie befragen wollten. Sieben Frauen haben dann doch geschildert, wie das Leben damals war. Bemerkenswert ist, daß für keine der Frauen der Beginn des Krieges oder das Kriegsende einen Einschnitt in ihrem persönlichen Leben markiert. Ihr Alltag wurde durch die Versorgungslage, die Wohnverhältnisse und den Bombenkrieg viel stärker geprägt. Und die Versorgungslage war nach Kriegsende kaum besser als in den Kriegsjahren. Die Probleme blieben gleich.

Viele Lebensmittel waren schon bald nach Kriegsausbruch nicht mehr zu bekommen. Statt dessen gab die NS-Frauenschaft Ratschläge, wie die Hausfrau aus wenigen Zutaten leckeres Essen zubereiten kann. Rezepte für Brotaufstrich statt Wurst oder Käse sind in der Ausstellung zu bestaunen. Diese Tips führten zu heftiger Kritik an der Partei, berichteten die Oberfürsorgerinnen von St. Pauli in ihren monatlichen Stimmungsbildern. Was soll frau auch davon halten, wenn ihr ernsthaft der Vorschlag gemacht wird, aus Magermilch und roher Kartoffel einen Schlagsahne-Ersatz herzustellen?

St. Pauli war schon damals ein besonderer Stadtteil: viele Arbeiter, die traditionell Sozialdemokraten oder Kommunisten waren; ausländische Bürger – die Schmuckstraße hieß damals Chinatown; Prostituierte, die den Nationalsozialisten besonders suspekt waren. Schon 1933 wurde die Herbertstraße mit der Sichtblende abgesperrt. Die Leute waren arm, man wohnte beengt und ohne den Komfort von Gas- und Stromanschluß. Genau diese Rückständigkeit erwies sich im Krieg als Vorteil. Die St. Pauli-anerinnen waren das Improvisieren gewöhnt. Auf ihren alten Kohleöfen konnten sie auch ohne Strom kochen. Und als immer mehr Hamburger ihre Wohnung verloren, da rückte man in St. Pauli einfach noch enger zusammen.

Weniger einfach war der Umgang mit den Nationalsozialisten. Trotz der roten Vergangenheit haben sich die Frauen auf St. Pauli kaum anders verhalten, als in anderen Stadtteilen. „Mit Politik haben wir uns gar nicht weiter befaßt“, ist eine ebenso typische Einstellung wie: „Das passierte eben und damit war's erledigt.“ Selbst Frauen, die vor 1933 Kommunistinnen gewesen waren, sagten: „Nee, da will ich nichts mehr mit zu tun haben. Da hab' ich viel zuviel Angst“.

Die ganz andere Wahrnehmung von zusammenhängenden Zeiträumen bei den befragten Frauen hat die Ausstellungsmacherinnen beim Aufbau ihrer Exponate und Texttafeln beeinflußt: Statt chronologisch haben sie das Material nach Themenblöcken, wie Versorgungslage, Wohnen, Alltag im Bombenkrieg, geordnet. Neben Aussagen der Zeitzeuginnen stehen Berichte der Oberfürsorgerinnen für St. Pauli. Fotografien, Tagebücher, Plakate aber auch zusammengestückelte Kleidung und ein Kinderwagen als Lastkarren illustrieren den Alltag von 1939 bis 1949.

Die Ausstellung ist noch bis zum 28.5., Mittwoch bis Freitag 14 - 18 Uhr, zu sehen. Am 16.5. findet um 19 Uhr eine Gesprächsrunde mit Zeitzeuginnen statt.

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